Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt                                                                                                52078 Aachen, den 2.8.2007

Schreiben an die Deutsche Welle vom 2. August 2007

Sehr geehrte Damen und Herren,
in der vorgenannten Sendung im Anschluss an die 4 Uhr Nachrichten am 2. 8. 2007 wurde in unerträglicher, wahrheitswidriger Weise über deutsche Kernkraftwerke berichtet. Dort wurde entgegen der eindeutigen Begriffsdefinition "Kernkraftwerke" gemäß DIN/IEC ausschließlich und vielfach der Begriff "Atomkraftwerke" verwendet, dies erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gegenüber den staatlich geförderten Normenfestlegungen des Deutschen Institutes für Normung DIN und der entsprechenden europäischen Gremien IEC.

Herr Umweltminister Gabriel nannte diese Anlagen gemäß dem Bericht über die gestrige Bundestagsdebatte "Gefährdungsmeiler".

Atomrechtlich verpflichtend ist, dass Kernkraftwerke und dem Deutschen Atomrecht unterliegende Anlagen ohne Verzug ihre Betriebserlaubnis verlieren, d.h. unverzüglich stillgelegt werden müssen, wenn von diesen Anlagen eine Gefahr für die Menschen ausgeht.

Da eine Stromversorgung in Deutschland ohne Betrieb von mindestens etwa zehn der insgesamt vorhandenen 17 Kernkraftwerke nicht mehr möglich sein wird, scheut Herr Gabriel wohl davor diesen "Gefährdungsmeilern" die Betriebserlaubnis zu entziehen, was seine Pflicht wäre, wenn von diesen Anlagen eine Gefährdung ausgehen sollte, dies ist wohl skandalös.

Weiterhin gilt folgendes:
In erschreckender Häufigkeit wird in den Medien, einschließlich der zur Gesetzestreue besonders verpflichteten öffentlich rechtlichen Anstalten wie z.B. DW, WDR, ARD und ZDF, bis hin zu den Aufsichtsbehörden, anstatt der von Fachleuten im DIN/IEC festgelegten Fachbenennung "Kernkraftwerke" die Fehlbenennung Atomkraftwerk oder Atommeiler verwendet. Im amtlichen Geschäftsverkehr ist die DIN-gemäße Benennung ja ohnehin - mit Ordnungswidrigkeitsentgelt bewährt - geboten, wenn auch unser Umweltminister Gabriel dies vorsätzlich und bewusst und viele Journalisten bei Fernsehen, Rundfunk und den Zeitungen, mit Ausnahme der FAZ, dies wohl meist aus reiner Unkenntnis unbewusst missachten. Siehe Definition gemäß DIN/IEC 393-18-44:
 
Kernkraftwerk:
Kraftwerk, in dem elektrische Energie oder Wärmeenergie mit Hilfe eines oder mehrerer Kernreaktoren erzeugt wird. (ISO 921/834)

Beim Kohlekraftwerk erfolgt die Energiefreisetzung durch Vereinigung von einem Kohlenstoff C-Atom mit zwei Sauerstoffatome O2 zu einem CO2 Molekül plus 8,14 kWh je kg Steinkohle. Dort steckt die Energie in der Bindungsenergie der Elektronen an ihren Atomkern, die in der Größenordnung um 1 eV liegt. Hier wäre die Benennung: "Atomkraftwerk" durchaus physikalisch begründet.

Beim Kernkraftwerk erfolgt die Energiefreisetzung aus der Spaltung des Kerns des U235-Atoms - und anderer, die aus U238 Atome gebildet werden und dem hierbei entstehenden Massendefekt gemäß der Einsteinschen Energie-Masserelation E = (Δm * c2 + 22 Mio. kWh/kg U235) oder plus 450.000 kWh je kg Brennelement mit angereichertem Uran. Hier steckt die Energie in der Bindungsenergie der Kernbausteine Protonen und Neutronen untereinander, also ganz wo anders, als in der Atomhülle und in ganz anderer Größenordnung von 200 MeV pro Reaktion, also zweihundert-millionenfach mehr.

Daher die physikalisch zutreffende Benennung: "Kernkraftwerk".

Natürlich ist die erstgenannte Benennung "Atomkraftwerke“ für Kohlekraftwerke nicht üblich, da die Erkenntnis der Verbrennungsprozesse viel früher bereits umfassend erforscht war, bevor man Atome, erst recht Atomkerne, erkannt hatte. Otto Hahn hat ja auch die Kernspaltung 1938 nur durch Zufall entdeckt, er war auf der Suche nach chemischen Reaktionen mit den Atomen des Uran.

Es liegt da nahe, dass man diese neue Disziplin dann mit Atomforschung, Atomrecht, Atombombe, Deutsches Atomforum, Atomminister, usw. benannte.
 
Das ist auch alles nicht in Frage zu stellen oder gar zu ändern.

Bei der Festlegung des Begriffes Kernkraftwerk hat man sich in den Fachnormengremien auf den Kern der Sache besonnen und die Benennung "Kernkraftwerk" für solche Kraftwerke festgelegt. Begriffsnormen werden von Fachleuten ehrenamtlich gemacht, aus rein sachlichen Erwägungen. Damit ist diese Benennung für den öffentlich rechtlichen Geschäftsverkehr in Deutschland verbindlich. Das ist einfach so, ebenso wie für die Geschwindigkeit Meter pro Sekunde oder km pro Stunde als Einheit festgelegt ist und nicht Stundenkilometer, was viele ahnungslose Journalisten sagen. Dies ehrt sie aber nicht, sondern weist sie als relativ unwissend aus.

Ebenso wie die Glühbirne nach der DIN-Norm eine Glühlampe und das Gerät in dem diese Licht spendet, eine Leuchte ist.

Das damit auch eine Abgrenzung der friedlichen Nutzung der Atomenergie gegenüber kriegerischen Anwendungen in Form der Atombombe verbunden ist, ist sicher zutreffend richtig und sogar glücklicherweise so. Aber genau das stört einige Zeitgenossen wohl. Dann sollen diese Zeitgenossen die DIN ändern, unser DIN A4 Papier hat auch andere Maße wie die amerikanischen Papiere. Bislang ist DIN A4 aber 210 x 297 mm groß, unabhängig von der Weltanschauung der Anwender. Es ist auch angenehm zu wissen, dass zu einer M 8-Schraube in einem Gerät eine M 8-Mutter sicher passt, unabhängig davon, wo man diese kauft.

Daher heißen Kraftwerke, bei denen die Energiegewinnung aus der Kernspaltung herrührt, im deutschen Sprachgebrauch "Kernkraftwerke", ebenso unabhängig von der Weltanschauung.

Bei denen, die es nicht wissen, ist die abweichende Benennung verzeihlich, bei denen die aus ideologischen Gründen bewusst die Fehlbenennung "Atomkraftwerke" verwenden, aber verwerflich und destruktiv.

Zu danken ist der Deutschen Welle (DW), dass Sie das Thema vorzeitige Abschaltung als Frage im Hörerforum artikuliert hat.

Dieses gibt die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger über die wirtschaftlichen Folgen eines Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung in unserem Land aufzuklären und insbesondere nicht dem Etikettenschwindel, einem angeblich nur wenig teureren Ökostrom erliegen zu müssen. Kernenergiestrom, bedarfsgerecht verfügbar, kostet rd. 3 Ct/kWh, wobei die Brennstoffkosten rd. 0,3 Ct/kWh ausmachen. Der naturbedingt nur angebotsabhängig verfügbare Windstrom kostet aber 9 Ct/kWh, also das Dreißigfache und Sonnenstrom 54 Ct/kWh, das Einhundertachtzigfache. Wenn die Stromerzeugungskosten auf das 30-fache ansteigen würden, könnten wohl viele Bürger dies kaum mehr bezahlen, würden diese auf das180-fache ansteigen, wäre ein Wirtschaftsleben in unserem Land kaum mehr möglich.

Tatsache ist, dass der Kraftwerksstillstand des Kernkraftwerkes Krümmel bei Vattenfall einen täglichen Verlust von rd. 1 Mio. € zur Folge hat und die Ersatzstrombeschaffung wegen des verknappten Angebotes an der Strombörse tägliche Mehrkosten bis zu rd. 2 Mio. € verursachen wird, welche wir alle als Strombezieher zu tragen haben werden. Vielleicht ist dieser Vorgang ein Lehrstück für das, was auf uns zukommt, wenn auch die übrigen 16 Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen. Dann werden die täglichen Mehrkosten für die anderweitige Strombeschaffung auf über 30 Mio. € ansteigen und alle Bürger und unsere Wirtschaft erheblich belasten, während sich unsere Nachbarländer weiterhin einer kostengünstigen Stromerzeugung aus Kernkraftwerken erfreuen dürfen.

In den Medien vom 02.07.2007 wird Herr Gabriel zitiert:
"Die deutschen Atomkraftwerke sind weltweit die sichersten, nur gelegentlich brennt`s und knallt`s".

Dies ist ein bitterer Schlag ins Gesicht aller deutschen Ingenieure und Ingenieur-Studenten an deutschen Hochschulen, unfassbar in seiner Arroganz und Respektlosigkeit.

Der Brand eines Transformators, außerhalb des Reaktorgebäudes und des Maschinenhauses, hat mit dem Kernkraftwerk nicht mehr zu tun, als der Bruch einer Feder im häuslichen Bett.

Unsere verehrte Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel hat bereits mehrfach öffentlich erklärt, dass Sie persönlich den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie zur Strom- und Prozesswärmeerzeugung für falsch hält, sich aber an den Koalitionsvertrag gebunden fühlen muss.

Sie darf als fachkundige Physikerin also nicht das tun, was Sie selbst für richtig hält. Dies ist tragisch und ein Armutszeugnis der Koalitionsregierung.

Peinlich für unser Land ist, wenn solche Unsinns-Statements, wie das kürzliche von Herrn Beck (SPD), wonach Kernkraftwerke ganzheitlich betrachtet noch mehr CO2 emittieren würden als Braunkohlekraftwerke, in die Öffentlichkeit gelangen. Durch solche Äußerungen wird im Ausland die Zurechnungsfähigkeit deutscher Politiker zu diesem Sachzusammenhang zu Recht angezweifelt.
Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt


02.08.2007 http://wilfriedheck.de