Das Recht der Windanlagen in Deutschland
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173 Ein Unternehmen der Windstromindustrie hatte der Industrie- und Handelskammer in Münster vorgeworfen, sich kritisch zur Klimaschutzpolitik zu äußern. Doch das Verwaltungsgericht in Münster hat die Klage des Unternehmens abgewiesen. Das hatte der IHK vorgeworfen, zu sehr Partei zu ergreifen und darum eine Unterlassung gefordert.
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist im Bereich der Windenergienutzung gewerblich tätig und deshalb Pflichtmitglied der Industrie- und Handelskammer Nord-Westfalen (IHK NW). Die IHK NW, die Beklagte, ist Mitglied beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Klägerin wendet sich dagegen, dass der DIHK sich in Veröffentlichungen, Presseerklärungen und auf seiner Homepage gegen bestimmte Maßnahmen der Klimaschutz- und Umweltpolitik sowie auch zum Atomausstieg ausgesprochen hat. Darüber hinaus habe sich auch der Präsident Braun in einem Zeitungsinterview allgemeinpolitisch zur Regierungspolitik geäußert. Die Stellungnahmen waren nach Meinung des Gerichts aber gerechtfertigt, weil sie die Interessen der von der IHK vertretenen Wirtschaftszweige spiegeln. Urteil des Verwaltungsgerichts Münster, 9 K 1076/07
 
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Artenschutz contra Windenergie. Eine Gemeinde kann ihr Einvernehmen mit dem Bau einer Windenergieanlage und anderer bevorzugt im Außenbereich zulässigen (Bau-)Vorhaben wegen entgegenstehender Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege wirksam verweigern.

Das Einvernehmen tritt durch Ablauf der gesetzlichen Frist in Anbetracht der ggf. weitreichenden Folgen der Einvernehmensfiktion nur ein, wenn der Antrag eindeutig formuliert ist; die ersuchte Gemeinde muss erkennen können, dass und in welcher Hinsicht die dortige Zweimonatsfrist ausgelöst wird.

An dem öffentlichen Belang des Schutzes einer bestimmten Vogelart (hier: Rotmilan) kann die Errichtung eines bevorzugt im Außenbereich zulässigen (Bau-)Vorhabens (hier: Windkraftanlage) nicht nur innerhalb ausgewiesener oder faktischer Europäischer Vogelschutzgebiete scheitern.

Zu der nach der Vogelschutz-Richtlinie vorgeschriebenen Erhaltung und Pflege der Lebensräume kann es auch gehören, den schützenswerten Lebensraum einer geschützten Vogelart von einer im Außenbereich bevorzugt zulässigen Bebauung freizuhalten, wenn gerade diese Bebauung geeignet ist, dem Schutzziel der Erhaltung der Art spürbar entgegenzuwirken.
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2006, 1 A 10884/05.OVG
175Windkraftanlagen und Denkmalschutz; Umgebungsbereich einer Kulturlandschaft
Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb zweier Windkraftanlagen abgelehnt

Urteil vom 15.10.2009, 6 K 3202/08. Auf dem Hochgelände des Venusberg/Scharben in der Gemeinde Hochdorf im Landkreis Biberach dürfen aus denkmalschutzrechtlichen Gründen keine Windenergieanlagen errichtet werden. Der vorgesehene Standort liegt in der Umgebung der Pfarrkirche St. Martin in Unteressendorf, einem in der Liste der Kulturdenkmale in Baden- Württemberg verzeichneten Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Dessen Erscheinungsbild würden die Windkrafträder nicht nur unerheblich beeinträchtigen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat daher die Klage auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Bau der beiden Windkrafträder, die auch die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit voraussetzt, abgewiesen.
176Kein Anspruch auf Genehmigung einer Windenergieanlage bei entgegenstehendem nicht zu beanstandenden Regionalplan mit anderweitig ausgewiesenen Vorranggebieten. Die Teilfortschreibung des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben 1996, Kapitel 4.2.5 Erneuerbare Energie - Windenergie ist wirksam.

Urteil vom 25.7.2007, 5 K 166/05.
Bauvorbescheid zur Errichtung einer raumbedeutsamen Windkraftanlage ...
177Die optische Bedrängung durch Windkraftanlagen.
Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 24. Juni 2010 ohne mündliche Verhandlung entschieden, dass eine - bereits teilweise fertig gestellte - Windenergieanlage in Bochum-Gerthe wegen sog. optischer Bedrängung eines benachbarten Wohnhauses unzulässig ist.

Damit wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. November 2009, das der Klägerin ebenfalls Recht gegeben hatte, bestätigt. Der Senat hat sich vor seiner gestrigen Entscheidung in einem Ortstermin einen eigenen Eindruck von den tatsächlichen Gegebenheiten verschafft. Nach dem Ortstermin begonnene Vergleichsbemühungen sind gescheitert.

Der Senat hält in seiner Entscheidung an seiner Rechtsprechung zur optischen Bedrängung durch Windkraftanlagen fest. Danach gibt es "grobe Richtwerte", die eine Orientierung für die Rechtsanwendung geben und eine hinreichend sichere Beurteilung bei der Einzelfallprüfung ermöglichen sollen. Der Senat unterscheidet hierbei zwischen einem -
  • meist unproblematischen Abstand, der mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) beträgt,
  • meist problematischen Abstand, der geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage ist, und einem
  • dazwischen liegenden Abstand, der das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage beträgt, und eine besonders eingehende Einzelfallprüfung erfordert.
Im vorliegenden Fall ging es um eine Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von rund 150 m. Das betroffene Wohnhaus ist lediglich 270 m von der Anlage entfernt. Der Abstand ist damit deutlich geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage. Unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der Ausrichtung der Fenster von Wohnräumen und des Gartens zum Anlagenstandort, hat der Senat eine optische Bedrängung angenommen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen den Beschluss nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 8 A 2764/09
10.01.2010  http://wilfriedheck.tripod.com