Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil im Namen des Volkes 22 B 08.1785 AN 11 K 06.1672
In der Verwaltungsstreitsache gegen
Freistaat Bayern, vertreten durch die Landesanwaltschaft Bayern, Ludwigstraße 23, 8059 München
beigeladen: Gemeinde Schnelldorf, vertreten durch den ersten Bürgermeister, Rothenburger Straße 13, 91625 Schnelldorf
wegen
Immissionsschutzrechtlicher Genehmigung (Windkraftanlage); hier:
Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. September 2006 erlässt der
Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder
aufgrund mündlicher Verhandlung am 26. Mai 2009
am 29. Mai 2009 folgendes
Urteil:
l. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder in Höhe des zu
vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1. | Der Kläger beantragte am 14. Juli 2005 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb
einer Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 113,5 m, einem
Rotordurchmesser von 71 m und einer Gesamthöhe von 149 m auf dem
Grundstück FINr. 382 Gemarkung Haundorf im Gemeindegebiet der
Beigeladenen, die dem Vorhaben das erforderliche Einvernehmen
verweigerte. | 2. | Nach Anhörung der Träger öffentlicher Belange lehnte das Landratsamt
Ansbach mit Bescheid vom 23. März 2006 den Antrag ab, weil das Vorhaben
gegen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfende
öffentlich-rechtliche Vorschriften nach § 6 Abs. 1 BImSchG.,
insbesondere gegen Naturschutzrecht und Bauplanungsrecht verstoße. Die
geplante Anlage liege zwar knapp außerhalb der Schutzzone des
Naturparks Frankenhöhe, wirke jedoch optisch weit in diese Schutzzone
hinein, was dem Schutzzweck der Naturparkverordnung widerspreche.
Zudem
werde der Lebensraum des Rotmilans beeinträchtigt. Diese Greifvogelart
sei im Anhang 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie aufgeführt und in Bayern
bereits stark gefährdet. Der Rotmilan sei insbesondere im Gebiet der
Beigeladenen mit belegten Horststandorten im engeren und weiteren
Umkreis der geplanten Anlage seit Jahrzehnten heimisch. Dem Vorhaben
stünden bauplanungsrechtliche Belange des Naturschutzes und der
Raumordnung und Landesplanung entgegen. Der beabsichtigte Standort
liege außerhalb geplanter Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für
Windkraftnutzung und sei damit raumplanerisch grundsätzlich
ausgeschlossen. Auch der erst in Aufstellung befindliche Änderungsplan
könne dem Vorhaben als nicht benannter öffentlicher Belang
entgegengehalten werden. | 3. | Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit
Urteil vom 27. September 2006 ab. Dem privilegierten Vorhaben stünden
nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB öffentliche Belange entgegen, da als Ziel
der Raumordnung eine Ausweisung für Windkraftanlagenstandorte an
anderer Stelle erfolgt sei. Zwar sehe der aktuelle Raumordnungsplan für
den beabsichtigten Standort lediglich ein landschaftliches
Vorbehaltsgebiet vor, welches für das Vorhaben keine Ausschlusswirkung
entfalte. Allerdings sei auch die bereits konkretisierte Fortschreibung
des Regionalplans mit seiner bauplanungsrechtlichen Vorwirkung zu
beachten. Durch die Planung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für
Windkraftanlagen erfolge ein Ausschluss dieser Anlagen außerhalb der
Vorranggebiete. Auch derartigen in Aufstellung befindlichen Zielen sei
bereits die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB
zuzumessen. Die Fortschreibung des Regionalplans hinsichtlich der
Windkraftnutzung sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Auch wenn nur
geringe Flächen für eine Windkraftnutzung vorgesehen seien, liege dem
doch eine bewusste Positivplanung zugrunde, von einer reinen
Verhinderung der Windkraftnutzung könne nicht die Rede sein. Für den
vom Kläger beabsichtigten Standort lägen auch Besonderheiten vor, die
den Ausschluss einer Windkraftnutzung dort rechtfertigten. Damit sei
das Vorhaben raumordnungsrechtlich nicht verwirklichungsfähig. | 4. | Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt, | 5. | den
Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts
Ansbach vom 28. März 2006 und des Urteils
des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. September 2006 zu
verpflichten, dem Kläger die beantragte immissions- schutzrechtliche
Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage zu erteilen. | 6. | Die beantragte Windkraftanlage sei genehmigungsfähig. Sie liege
außerhalb der Schutzzone des Naturparks Frankenhöhe, weshalb diese der
Anlage nicht entgegenstehen könne. Der Lebensraum des Rotmilans werde
nicht beeinträchtigt, da es im fraglichen Gebiet kein Vorkommen dieser
geschützten Art gebe. Ein landschaftliches Vorbehaltsgebiet könne dem
privilegierten Vorhaben nicht entgegenstehen.
Eine besondere
Beeinträchtigung des Landschaftsbilds sei nicht erkennbar. In geringer
Entfernung vom Anlagenstandort auf dem angrenzenden Gebiet des Landes
Baden-Württemberg sei bereits eine Windkraftanlage errichtet worden,
die eine Vorbelastung bedeute. Das geplante Vorhaben verletze auch
nicht das Rücksichtnahmegebot im Sinne einer optisch bedrängenden
Wirkung für die benachbarte Wohnbebauung, da ein ausreichender Abstand
von 250 m eingehalten werde.
| 7. | Mittlerweile sei die Änderung des Regionalplans bezüglich der
Windkraftnutzung zum 1. April 2007 in Kraft getreten, die für den
beabsichtigten Standort den Ausschluss der Windkraftnutzung vorsehe.
Die Regionalplanänderung sei jedoch unwirksam, weil den Belangen der
Windkraft nicht ausreichend Rechnung getragen werde. Nach dem zugrunde
gelegten Kriterienkatalog hätten zunächst als geeignete Flächen etwa
12,5% der Gesamtfläche zur Verfügung gestanden, insgesamt mehr als
50.000 ha. Hiervon seien etwa 49.000 ha Flächen ohne nachvollziehbare
Kriterien ausgeschieden worden. Verblieben seien im Plangebiet
lediglich 514 ha an Vorranggebieten und 81 ha an Vorbehaltsgebieten für
die Windkraftnutzung bei einer Gesamtfläche der Planungsregion von mehr
als 4.300 km2, also weniger als 0,15% der Fläche der Planungsregion.
Dies spreche für eine Verhinderungsplanung. Zudem sei es nach der
Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2008 (BayVBI
2009, 46) ohnehin nicht möglich, nach bayerischem Landesplanungsrecht
in Regionalplänen Ziele mit Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3
BauGB festzulegen. | 8. | Der Beklagte beantragt, | 9. | die Berufung zurückzuweisen. | 10. | Zur Begründung wird ausgeführt, aufgrund der allgemeinen
Zielfindungsfreiheit in der Landes- und Regionalplanung könnten im
Regelfall nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Ausschlussgebiete festgelegt
werden, ohne dass hierfür eine eigene Rechtsgrundlage im Landesrecht
erforderlich sei, die in der Entscheidung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2008 vermisst worden sei. Zudem
sei mit der Formulierung des § 7 Abs. 4 ROG klargestellt, dass die
aufgeführten Gebietsbezeichnungen nicht abschließend gemeint seien; für
bestimmte Gebiete werde lediglich eine einheitliche Nomenklatur
festgelegt. Dieser Vorschrift könne nicht entnommen werden, dass außer
Vorranggebieten, die zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten hätten,
keine anderen raumordnerischen Festlegungen eine Ausschlusswirkung nach
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erzeugen können sollten. | 11. | Die ausgewiesenen Vorranggebiete sicherten im Rahmen eines
gesamträumlichen Konzepts ausreichende Standorte für die
Windkraftnutzung, zumal zusätzlich die Erneuerung bestehender Anlagen
sowie die Realisierung von Anlagen im Bereich vorhandener und künftiger
Flächennutzungsplanausweisungen gesichert sei. So habe auch der
Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 24. September 2007 Az. 14 B
05.2149 und 14 B 05.2151 die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen
Regionalplans bestätigt und dessen Ausschlusswirkung für die
Windenergienutzung bejaht. Im Übrigen stünden auch andere öffentliche
Belange dem Vorhaben entgegen, so die Beeinträchtigung der Rotmilane,
und schädliche Umweltauswirkungen für die nächstgelegene Wohnbebauung
in nur 250 m Entfernung. | 12. | Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten
Behördenakten sowie auf die Niederschriften über die mündliche
Verhandlung vom 7. Mai 2009 sowie über den Augenschein und die
mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
| 13. | Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im
Ergebnis zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf
Erteilung der begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur
Errichtung und zum Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlage
auf dem Grundstück FINr. 382 der Gemarkung Haundorf hat. | 14. | 1. Ein Anspruch auf Genehmigung .der geplanten Anlage scheitert schon
daran, dass diese wegen ihrer optisch bedrängenden Wirkung auf die
benachbarten Wohnanwesen gegen das im immissionsschutzrechtlichen
Verfahren zu prüfende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot
verstößt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB). | 15. | 1.1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Windkraftanlage
aufgrund ihrer Höhe sowie der ständigen Drehbewegung ihres Rotors bzw.
ihrer Flügel eine optisch bedrängende Wirkung entfalten und damit gegen
das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme
verstoßen kann (BVerwG vom 11.12.2006. NVwZ 2007, 336; vorgehend OVG
NRW vom 9.8.2006 DVBl 2006, 1532; vgl. ferner OVG NRW vom 22.3.2007
BauR 2007, 1014; vom 19.6.2007 NuR 2008, 55/60; vom 28.8.2008 ZUR 2009,
33, Rd.Nr. 172). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung, dass
für die Frage der optisch bedrängenden Wirkung einer Windkraftanlage
nicht die Baumasse ihres Turms, sondern die in der Höhe wahrzunehmende
Drehbewegung des Rotors von entscheidender Bedeutung Ist. Ein bewegtes
Objekt erregt die Aufmerksamkeit in weit höherem Maße als ein
statisches; insbesondere wird eine Bewegung selbst dann noch
registriert, wenn sie sich nicht unmittelbar in Blickrichtung des
Betroffenen, sondern seitwärts hiervon befindet. Die durch die
Windstärke in der Umdrehungsgeschwindigkeit unterschiedliche Bewegung
auch am Rande des Blickfelds kann schon nach kurzer Zeit und erst recht
auf Dauer unerträglich werden, da ein bewegtes Objekt den Blick nahezu
zwangsläufig auf sich zieht und damit zu einer kaum vermeidbaren
Ablenkung führt. Zudem vergrößert gerade die Drehbewegung des Rotors
die Windkraftanlage in ihren optischen Dimensionen ganz wesentlich. Die
von den Flügeln überstrichene Fläche hat in der Regel gebäudegleiche
Abmessungen. Dabei gilt, dass die Bewegung des Rotors umso stärker
spürbar wird, je geringer die Distanz zwischen der Windkraftanlage und
dem Betrachter und je größer die Dimension der Bewegung ist. | 16. | Die Frage, ob tatsächlich das Maß des den Nachbarn Zumutbaren
überschritten und das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, ist dabei
nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Hierfür
hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seiner
Entscheidung vom 9. August 2006 (a.a.O.) verschiedene Kriterien
entwickelt: | 17. | Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen
und ähnlichem zur Windkraftanlage, bestehende oder in zumutbarer Weise
herstellbare Abschirmung des Wohngrundstücks zur Anlage,
Hauptwindrichtung und damit häufigste Stellung des Rotors zu einem
Wohnhaus, topographische Situation, Sichtschutz durch Waldgebiete oder
Gebäude, weitere Beeinträchtigungen durch bereits vorhandene
Windkraftanlagen sowie die planungsrechtliche Lage des Wohnhauses. | 18. | Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat das OVG Nordrhein-Westfalen
für die Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte für eine
Beeinträchtigung prognostiziert: | 19. | Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage
mindestens das Dreifache der Gesämthöhe (Nabenhöhe + halber
Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung
überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine
optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei
einem solchen Abstand träten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung
der Anlage soweit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine
beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber
der Wohnbebauung zukomme. | 20. | Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage,
dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und
optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus werde
bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage
überlagert und vereinnahmt. Auch trete die Anlage in einem solchen Fall
durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten
Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die
Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werde. | 21. | Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das
Zwei- bis Dreifache dar Gesamthöhe der Anlage, bedürfe es regelmäßig
einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls. | 22. | Dabei wird betont, dass diese Anhaltswerte lediglich der ungefähren
Orientierung bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen dienen, aber
nicht von einer Einzelfallwürdigung bei Anlagen entbinden, die
unterhalb der zweifachen und oberhalb der dreifachen Anlagenhöhe liegen. | 23. | Auch dem Verwaltungsgerichtshof erscheinen diese Anhaltswerte geeignet
für eine überschlägige Abschätzung der bedrängenden Wirkung einer
Windkraftanlage gegenüber einem benachbarten Anwesen, wobei aber stets
die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls ins Auge zu fassen
sind, also nicht pauschalierend nur auf die Abstände abgestellt werden
darf (vgl. BayVGH vom 8.9.2008 Az. 22 ZB 08.387). Auch wenn der Abstand
weniger als das Zweifache der Höhe einer Anlage beträgt, muss diese
nicht zwangsläufig optisch bedrängende Wirkung haben, genauso wie eine
Anlage, obwohl mehr als das Dreifache ihrer Höhe vom nächstgelegenen
Anwesen entfernt, aufgrund besonderer Umstände trotzdem optisch
bedrängende Wirkung entfalten kann. Dies ist anhand der vorgenannten
Kriterien sowie gegebenenfalls weiterer besonderer Merkmale des
Einzelfalls zu entscheiden. | 24. | 1.2 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Antragsunterlagen ein
Abstand der mit einer Gesamthöhe von 149 m geplanten Windkraftanlage zu
den Wohnanwesen im östlich des geplanten Standorts gelegenen Ortsteil
Altersberg von 250 m (Altersberg 1, FINr. 374), 265 m (Altersberg 3,
FINr. 376) und von 300 m (Altersberg 2, FINr. 375). Die Anwesen
Altersberg 1 und 3 sind damit weniger als das Zweifache, das Anwesen
Altersberg 2 nur geringfügig mehr als das Zweifache der Gesamthöhe der
geplanten Windkraftanlage von dieser entfernt. Aufgrund des sehr
geringen Abstands von weniger als der zweifachen Gesamthöhe in zwei
Fällen und gerade einmal einem Erreichen des zweifachen Abstands in
einem Fall ist nach den vorgenannten Orientierungswerten tendenziell
davon auszugehen, dass die geplante Windkraftanlage eine dominante und
optisch bedrängende Wirkung gegenüber den benachbarten Anwesen
entfaltet, die Wohnhäuser optisch von der Anlage überlagert und
vereinnahmt werden. | 25. | Bei der sich anschließenden Überprüfung der konkreten Situation der
geplanten Anlage und der bestehenden Wohnhäuser zueinander - wozu der
Vewaltungsgerichtshof einen Augenschein durchgeführt hat - ergibt sich,
dass eine optisch bedrängende Wirkung der geplanten Anlage vorliegt,
der nicht durch zumutbare Maßnahmen an den benachbarten Anwesen
begegnet werden kann. Nach den Feststellungen beim Augenschein ergibt
sich dies aus folgendem: | 26. | Vom geplanten Standort aus fällt das Gelände nach Osten zum Weiler
Altersberg hin leicht ab. Aufgrund dieser etwas erhöhten Position wirkt
die geplante Windkraftanlage für einen Beobachter in Altersberg
nochmals höher. Zwischen dem geplanten Standort und dem Weiler
Altersberg befinden sich Ackerflächen, eine Sichtabschirmung durch
einen Waldstreifen oder hohes und dichtes Feldgehölz fehlt. Westlich
des Weilers Altersberg befindet sich lediglich lockerer Baumbestand,
der sich zum Nord- und Südrand des Weilers verdichtet. Eine Abschirmung
der Sicht durch den Baumbestand auf die geplante Windkraftanlage ist
wegen deren Gesamthöhe von 149 m sowie Ihrer gegenüber dem Weiler
erhöhten Situierung, ebenso im Hinblick auf die erhebliche Ausdehnung
der vom Rotor bestrichenen Fläche bei einem Durchmesser von 71 m (3.959
m2) kaum möglich, insbesondere in der laubfreien Jahreszeit praktisch
ausgeschlossen. Es kommt hinzu, dass die geplante Anlage westlich der
vorhandenen Anwesen diesen aufgrund der häufigen Westwinde auch häufig
die maximale "Breitseite", also die gesamte vom Rotor überstrichene
Fläche zuwenden würde, da sich der Rotor in der Windrichtung ausrichtet. | 27. | Aus dieser Situierung folgt, dass von etwa Mitte Mai bis Ende Juli,
also zu einer Jahreszeit zu der sich die Bewohner wesentlich häufiger
außerhalb ihrer Anwesen als sonst aufhalten werden, in einem
Zeitfenster von 18.00 bis nach 19.00 Uhr Schattenwurf der geplanten
Anlage auf den Weiler Altersberg erfolgen würde. Dies ergibt sich aus
den vom Kläger vorgelegten Antragsunterlagen, dem Bericht zur Schall-
und Schattenwurfprognose des Anlagenherstellers vom 20. Juni 2005 (S.
32, Grafischer Kalender, Berechnung Schattenwurf - Zusatzbelastung,
Tabelle D). In der Genehmigungspraxis wird zwar in der Regel eine
Anlagenabschaltung verlangt, wenn der Schattenwurf einer
Windkraftanlage einen Richtwert für das zumutbare Maß an Verschattung
von 30 Stunden im Jahr bzw. 30 Minuten am Tag überschreitet (vgl Nrn.
3.1/3.2 der Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen
Immissionen von Windenergieanlagen des Länderausschusses für
Immissionsschutz vom 13.3.2002); auch die Antragsunterlagen sehen dies
vor. Solange aber diese Werte im täglichen Betrieb nicht oder noch
nicht erreicht sind, müssten die benachbarten Anwesen den Schattenwurf
gerade auch zu einer abendlichen Tageszeit hinnehmen, in dem
vorzugsweise eine Erholungsnutzung im Außenwohnbereich - auf Terrassen
oder in den angrenzenden kleinen Gärten - erfolgen wird. | 28. | Das Wohnhaus Altersberg. 1 (FINr. 374) ist nach Westen in Richtung der
geplanten Anlage hin zwar durch einen Anbau, eine ehemalige
landwirtschaftliche Maschinenhalle, weitgehend abgeschirmt; lediglich
ein Fenster im Dachgeschoß ließe den Blick auf die geplante Anlage zu.
Die Hauptblickrichtung, eine überdachte Terrasse und ein Balkon sowie
mehrere Fenster sowohl im Erdgeschoß als auch im Obergeschoß sind nach
Süden hin ausgerichtet. Innerhalb dieses Anwesens wäre die geplante
Anlage wohl kaum wahrzunehmen, da das einzige nach Westen gerichtete
Fenster dem Dachboden zuzuordnen ist. Jedoch wird man die geplante
Anlage vom südlich sich anschließenden Garten deutlich wahrnehmen
können, da der vorhandene lockere Baumbestand wie ausgeführt keinen
merkbaren Sichtschutz gegenüber den erheblichen Ausmaßen und
insbesondere der Höhenentwicklung der geplanten Anlage darstellt. | 29. | Vom Anwesen Altersberg 2 (FINr. 375), das mit 300 m am weitesten vom
geplanten Standort entfernt liegt, wäre die geplante Anlage vom Garten
südlich und westlich des Hauses aus zu sehen. Auf der Westseite dieses
Wohnhauses liegt der Eingangsbereich, im Erdgeschoß befinden sich vier
und im Obergeschoß zwei Fenster, wobei der Blick nach Westen zunächst
auf ein vorgelagertes Garagengebäude fällt. Aufgrund der
Höhenentwicklung der geplanten Anlage ist aber davon auszugehen, dass
jedenfalls für die Räume im Obergeschoss eine Blickbeziehung auf die
Rotorbewegung entstehen würde. | 30. | Die uneingeschränkteste Sichtbeziehung zur geplanten Anlage bestünde
vom Anwesen Altersberg 3 (FINr. 376) aus. Von diesem Haus aus befindet
sich der geplante Standort in fast exakt westlicher Richtung. Die
ost-westliche Firstrichtung des Anwesens ist nach Süden hin um etwa 20
bis 25 Grad verschwenkt, wie den vorgelegten Lageplänen zu entnehmen
ist. Dadurch ergibt sich, dass von diesem Anwesen aus sowohl aus den
Westfenstern der Räume im Erdgeschoss und in den Obergeschossen (im
Erdgeschoß und im Obergeschoß je ein Fenster und im zweiten Obergeschoß
zwei Fenster) wie auch aus den nördlichen Fenstern und dem nach Norden
hin ausgerichteten Balkon im ersten Obergeschoß eine unmittelbare
Sichtverbindung zur geplanten Anlage entstehen würde. Trotz der
Verschwenkung der Firstrichtung gegenüber dem Anlagenstandort wäre auch
von der südlich gelegenen Terrasse aufgrund der Höhe der Anlage wie
auch der seitlichen Erstreckung der Rotordrehfläche von 71 m eine
Sichtbeziehung zum Rotor gegeben, wenn man sich aus der geringen
Abschirmwirkung des leicht gedrehten Hauses etwas weiter auf die
Terrasse heraus begibt. | 31. | Eine wirksame Abschirmung des Anwesens Altersberg 3 durch ein westlich
hiervon gelegenes Gebäude auf der FINr. 372 ist nicht möglich. Nach den
Feststellungen beim Augenschein wurde dieses Gebäude zwischenzeitlich
größtenteils abgerissen. Aber auch wenn, wie vom Kläger im Augenschein
vorgetragen, künftig dort eine neue Unterstellhalle errichtet werden
sollte, würde diese nicht ausreichend abschirmen. Selbst wenn man sich
eine neue Halle mit einer Höhenentwicklung entsprechend der früheren
Scheune bzw. den vorhandenen Umgebungsgebäuden vorstellt würde wegen
des aufgrund der zwischenliegenden Straße vorgegebenen Abstands zum
Anwesen Altersberg 3 der Rotor bei einer Gesamthöhe von 149 m nicht
oder nicht so weitgehend abgedeckt, dass nicht doch eine beständige
Bewegung und damit Störung von dem Anwesen aus wahrgenommen würde. | 32. | Eine eventuell gebotene "architektonische Selbsthilfe" (BayVGH vom
5.10.2007 Az. 22 CS 07.2073; OVG NRW vom 22.3.2007 a.a.O. und vom
9.8.2006 a.a.O.), also Maßnahmen, mit denen sich die optisch bedrängten
Anwesen schützen könnten, ist nicht wirksam möglich oder jedenfalls
nicht zumutbar. Die bauliche Situierung der bestehenden Anwesen selbst
ist vorgegeben und nicht veränderbar. Eine grundsätzlich denkbare
Veränderung oder Umnutzung von Wohnräumen insbesondere im Anwesen
Altersberg 3 mit zwei Wohneinheiten erscheint nicht zumutbar. Zwar
konnte das Gericht im Rahmen des Augenscheins nicht feststellen, welche
Art von Räumen im Anwesen Altersberg 3 von der Nord- wie Westseite aus
eine Blickbeziehung zur geplanten Anlage hätten. Da aber sowohl
nördliche wie auch westliche Fenster eine Blickbeziehung zulassen,
liegt es auf der Hand, dass nicht alle Aufenthaltsräume auf die Süd-
oder Ostseite verlegt werden könnten. Hinzu kommt, wie ausgeführt, dass
auch der Außenwohnbereich dieses Anwesens, wie auch der anderen
Anwesen, beeinträchtigt würde. Die Außenwohnbereiche aller drei Anwesen
könnten durch eine die Sicht auf die geplante Anlage verhindernde
Bepflanzung nicht wirksam geschützt werden. Aufgrund der großen Nähe
der geplanten Anlage und ihrer deutlichen Höhenentwicklung wäre hierzu
eine dichte Bepflanzung von erheblicher Höhe erforderlich, die eine
generelle Sicht- und auch Belichtungsbeeinträchigung darstellen würde
und auch wohl wesentliche Flächen der Wohnaußenbereiche beanspruchen
würde. | 33. | Bei der abschließenden Beurteilung anhand der verschiedenen
Auswirkungen ergibt sich damit in diesem konkreten Einzelfall eine
optisch bedrängende Wirkung der geplanten Anlage auf die drei
Wohnanwesen im Weiler Altersberg, der durch andere zumutbare Maßnahmen
nicht wirksam begegnet werden kann. Auch wenn man berücksichtigt, dass
die Anwesen mangels hinreichenden Gewichts der Bebauung lediglich eine
Splittersiedlung im Außenbereich darstellen und grundsätzlich eine
konkurrierende Nutzung des Außenbereichs durch privilegierte Vorhaben
hinzunehmen haben, führt die optisch bedrängende Wirkung und die sich
hieraus ergebende Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auf die
bestandsgeschützte Wohnnutzung bei mehreren Anwesen zu einem der
geplanten Anlage entgegenstehenden Belang (§ 35 Abs. 1 BauGB). | 34. | 1.3 Der neue Vortrag des Klägers - Vorlage von Erklärungen zur
Abstandsflächenübernahme und optisch bedrängenden Wirkung mit
Schriftsatz vom 15. Juni 2009 brauchte nach Ergehen der Entscheidung
nicht mehr berücksichtigt zu werden; eine Frist für weitere Darlegungen
war in der letzten mündlichen Verhandlung vom 26.. Mai 2009 nicht
beantragt worden. Ein nicht nach § 173 VwGO, § 283 ZPO nachgelassener
Schriftsatz braucht nicht mehr berücksichtigt zu werden (vgl.
Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 11 zu § 104 m.w.N.). Der
Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Grund, hiervon im vorliegenden Fall
ausnahmsweise abzuweichen. Zur Klarstellung weist der
Verwaltungsgerichtshof hilfsweise jedoch auf
Folgendes hin: | 35. | Die Auffassung des Eigentümers eines der Wohnanwesen im Weiler
Altersberg, die dort vorhandenen Wohnhäuser bzw. dem Wohnen und Leben
dienende Räume seien so ausgerichtet, dass eine Sicht zur geplanten
Windkraftanlage ausgeschlossen sei, deckt sich nicht mit den
Feststellungen des Gerichts beim Augenschein. Auch wenn die
abgebrochene Scheune westlich des Anwesens Altersberg 3 wieder
errichtet würde - wofür bisher kein Nachweis geführt wurde - wäre eine
Sichtbeziehung vom Anwesen Altersberg 3 zur geplanten Anlage aufgrund
deren Höhenentwicklung, wie bereits ausgeführt, gerade nicht oder
jedenfalls nicht ausreichend unterbrochen. | 36. | Soweit dieser Eigentümer erklärt, durch Anpflanzungen oder Verlegung
von Wohnräumen einen Zustand schaffen zu wollen, dass von keinem
Wohnraum aus eine unmittelbare Sichtbeziehung mehr zur geplanten
Windkraftanlage bestehe, wodurch eine optisch bedrängende Wirkung
vollständig ausgeschlossen werde, verkennt dies ebenfalls die
tatsächliche und rechtliche Situation. Für das Gericht steht es
aufgrund des durchgeführten Augenscheins fest, dass weder durch
Anpflanzungen noch durch Umnutzungen von Räumen eine vollständige oder
zumindest weitgehende Vermeidung der optisch bedrängenden Wirkung der
geplanten Anlage möglich ist; auf die vorgehenden Ausführungen wird
verwiesen, | 37. | Sollte in der Erklärung des Eigentümers auch eine
Einverständniserklärung liegen, so ist anzumerken, dass das
objektiv-rechtliche Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme nicht
individuell verzichtbar ist und auch nicht auf persönliche
Einstellungen oder Empfindlichkeiten eines einzelnen Betroffenen
abstellt (BVerwG vom 23.9.1999 BVerwGE 109, 314). Mithin kann auch für
die Frage, was hinsichtlich der optisch bedrängenden Wirkung einer
Anlage für Betroffene zumutbar erscheint, nicht auf ein persönliches
Empfinden eines einzelnen Betroffenen abgestellt werden. Dies gilt auch
dann, wenn dieser Betroffene wie hier zugleich Nutznießer dieser Anlage
ist, da er Eigentümer des Standortgrundstückes und an der Finanzierung
der Anlage beteiligt ist (Erklärung des Betroffenen vom 23.6.2005, Bl.
39 des Antragshefts). Es ist nicht nur der Eigentümer, sondern die
Wohnungsnutzung auch durch andere Personen in den Blick zu nehmen.
Selbst wenn einer der von der optischen Wirkung Betroffenen aus seiner
Sicht alles ihm Zumutbare ins Werk setzen will, um eine optisch
bedrängende Wirkung für sich selbst auszuschließen, kann er dies nicht
auch mit Wirkung für die übrigen Bewohner des Weilers Altersberg tun. | 38. | 2. Aufgrund fehlender Genehmigungsfähigkeit wegen der Verletzung des
Rücksichtnahmegebots bedarf es keines weiteren Eingehens auf die
sonstigen von den Beteiligten erörterten Rechtsfragen. Offen bleibt
insbesondere, ob andere öffentliche Belange dem streitgegenständlichen
Vorhaben ebenfalls entgegenstehen. Dies gilt auch für die Frage, ob der
Darstellung von Vorranggebieten für die Windenergienutzung im
Regionalplan der Region Westmittelfranken Ausschlusswirkung im Sinn von
§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zukommt. | 39. | 2. Die Kostenenscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, §
711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132
Abs. 2 VwGÖ).
| 40. | RechtsmitteIbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der
Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23,
80539 München; Postfachanschrift: Postfach 340148, 80098 München; in
Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach
Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von
zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die
Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der
Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des
Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet
werden.
| 41. | Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die
Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch
Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für
Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte
zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer
deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung
zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG
bezeichneten Personen. | 42. | Dr. Schenk Koch Eder
| |