Verwaltungsgericht Mainz
URTEIL

Original auf: http://www3.justiz.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil.asp?rowguid={6960F3D9-DF53-4FD1-A01A-6FF9C870A6A1}

Sachgebiet(e)

Außenbereich
Baurecht
Biogasanlage
Immissionsschutzrecht
Sonstiges

Gerichtstyp

VG 

Gerichtsort

Mainz 

Datum

23.01.2007 

Aktenzeichen

3 K 194/06.MZ

Titel

1. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für eine einem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnende Biogasanlage setzt voraus, dass die Herstellung von Biomasse nicht Primärzweck des landwirtschaftlichen Betriebes ist.

2. Die gezielte Herstellung von Biomasse innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes ist im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zulässig. Die Biogasanlage wird aber dann nicht "im Rahmen" eines landwirtschaftlichen Betriebes errichtet und betrieben, wenn der Betrieb sowohl hinsichtlich seiner Flächen wie auch hinsichtlich der Betriebsabläufe dergestalt auf die Produktion von Biomasse ausgerichtet wird, dass der Schwerpunkt des Betriebes auf der Produktion von Biomasse liegt.

3. Die Anforderungen, die sich in dem in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB enthaltenen Tatbestandsmerkmal "im Rahmen" eines der dort genannten Betriebe ergibt, sind vergleichbar mit den Anforderungen, ddie das Vorliegen der Voraussetzungen des "Dienens" bei einem Teil der in § 35 Abs. 1 BauGB enthaltenen Privilegierungstatbestände ergeben. 

Text
Verwaltungsgericht Mainz
3 K 194/06.MZ 

Urteil 

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung

hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2007, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dany
Richter am Verwaltungsgericht Meyer-Grünow
Richter am Verwaltungsgericht Ermlich
ehrenamtlicher Richter Landwirt i.R. von Braunschweig
ehrenamtlicher Richter Rentner Bruns für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Widerspruchsbescheides des Beklagten, durch den ihm auf den Widerspruch der Beigeladenen hin die ihm erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage aufgehoben worden ist.

Der Kläger ist ausgebildeter Winzermeister. Ausweislich einer gutachtlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz vom 26. Oktober 2000 (Bl. 621 der Verwaltungsakten) übernahm er im Jahre 1987 den elterlichen Gemischtbetrieb und baut schwerpunktmäßig Getreide (Weizen, Triticale) und Zuckerrüben auf ca. 50 ha an, wovon ca. 6 ha Eigentumsflächen und 44 ha Pachtflächen sind, von denen ca. 46 % im D. liegen. Im Jahre 1991 siedelte der Kläger auf den derzeitigen Standort im Außenbereich aus, wobei ein Wohnhaus und eine landwirtschaftliche Gerätehalle errichtet wurden. Daneben bewirtschaftet der Kläger in unterschiedlichem Umfang als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer die Flächen anderer Landwirte.

Mit Schreiben vom 01. September 2003 beantragte der Kläger die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung einer Trocken-Nass-Simultan (TNS)-Vergärungsanlage mit einer Kapazität von 16.000 Mg/a auf dem im Außenbereich von B. gelegenen Grundstück Flur xx, Parzellen xx und xx. Das 8893 m² große Grundstück liegt, getrennt durch einen Wirtschaftsweg, in unmittelbarer Nachbarschaft der Hofstelle des Klägers. Es liegt im Geltungsbereich der Rechtsverordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Selztal“ vom 13. Februar 1990. Das vorgesehene Blockheizkraftwerk ist auf 500 kW (0,5 MW) ausgelegt. Als Einsatzstoffe will der Kläger der Betriebsbeschreibung vom 09. September 2003 zufolge jährlich 8200 t (Mg) Getreide (Triticale mit Untersaat) aus eigenem Betrieb, außerdem 1200 t Pferdemist aus einem benachbarten Betrieb sowie 6600 t Grünschnitt-Schredder aus kommunaler Sammlung, insgesamt also 16000 t einbringen. Die Anlage besteht in baulicher Hinsicht im Wesentlichen aus einer 60 x 40 x 8,31 m großen Halle zur Unterbringung der acht Trockenfermenter sowie zwei Rundbehältern (Nassfermenter und Endlager) mit einem Durchmesser von jeweils 20 m und einer Höhe von 6,4 m.

Nachdem der landespflegerische Begleitplan zu dem Ergebnis gelangt war, dass von einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung für den Naturhaushalt sowie von einer starken Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auszugehen sei, dass diese Eingriffe aber bei Realisierung der im einzelnen genannten Vermeidungs-Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als ausgeglichen im Sinne des Landespflegegesetzes angesehen werden könnten, erteilte der Beklagte als obere Landespflegebehörde unter der Voraussetzung der strikten Umsetzung des landespflegerischen Begleitplans am 15. April 2004 sein Einverständnis.

Die Beigeladene hingegen verweigerte ihr gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB erforderliches Einvernehmen, weil das beabsichtigte Vorhaben im Außenbereich bauplanungsrechtlich unzulässig sei (Schreiben vom 04. Oktober 2004). Es handele sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB der inzwischen in Kraft getretenen Fassung durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau -, da von den 50,9 ha bewirtschafteten Flächen nur 4,7 ha im Eigentum des Klägers stünden. Dies sei nach der Rechtsprechung ein Indiz für mangelnde Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der Bewirtschaftung. Es fehle auch am Nachweis dessen, dass die Pachtverträge langfristig abgeschlossen worden seien. Außerdem lägen rd. 27 ha Fläche im D. und rd. 3 ha im Bereich N.-O., so dass es an einem räumlich-funktionalen Zusammenhang der bewirtschafteten Flächen mit der Hofstelle fehle.

Außerdem lägen auch nicht die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB vor, wonach die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nrn. 1, 2 oder 4 stammen müssten. Die vorhandenen Flächen des Klägers seien im Verhältnis zur Anlagegröße viel zu gering, so dass die Biomasse nicht überwiegend aus seinem Betrieb stammen könne. So sei auch der Bezug von Pferdemist aus einer nahe gelegenen Hofstelle nicht gesichert.
Außerdem fehle es an der erforderlichen wegemäßigen Erschließung. Der Wirtschaftsweg der an das Baugrundstück angrenze, sei entsprechend seiner tatsächlichen Belastbarkeit lediglich freigegeben für ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von maximal 5,5 t. Die Ortsgemeinde habe bereits darauf hingewiesen, dass die Wege der zu erwartenden Belastung nicht standhalten könnten. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass seine Fahrzeuge dieses Gewicht von vornherein überschreiten würden.

Der Kläger ist dem mit seinem Schriftsatz vom 25. Oktober 2004 (Bl. 634 ff. der Verwaltungsakte) entgegengetreten. Er hat darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem Eigentum an den bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen lediglich indizielle Bedeutung für die Dauerhaftigkeit der landwirtschaftlichen Betätigung zukomme, und dass es danach nicht ausgeschlossen sei, dass die Dauerhaftigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes auch auf gepachteten Flächen gewährleistet sein könne, wenn es andere für die Dauerhaftigkeit sprechende Anzeichen gebe. So sei nach der Rechtsprechung ein wichtiges Indiz für die Nachhaltigkeit die Gewinnerzielungsabsicht, die hier fraglos gegeben sei. Weiterhin ergebe sich die Nachhaltigkeit aus der Gesamtgröße der Betriebsflächen von rd. 80 ha, wovon ca. 6,5 ha im Eigentum stünden und ca. 45 ha langfristig gepachtet seien. Außerdem würden fünf Mitarbeiter beschäftigt. Auch das Investitionsvolumen von ca. 2 Millionen Euro für die Biogasanlage spreche dafür, dass der dauerhafte Betrieb beabsichtigt und sichergestellt sei. Andernfalls werde kein Kreditgeber zu einer Finanzierung bereit sein. An der Privilegierung ändere sich auch nichts deshalb, weil ein Teil der Flächen im D. und in Nachbargemarkungen liege. § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB mache hinsichtlich der Flächenverteilung des Betriebes des Anlagenbetreibers keinerlei Einschränkungen. Mit der dort enthaltenen räumlichen Einschränkung sollten lediglich Gemeinschaftsprojekte landwirtschaftlicher Betriebe verhindert werden, die in keinerlei räumlichem oder sonstigem Zusammenhang stünden. Vorliegend sei der räumlich-funktionale Zusammenhang mit dem Betrieb im Sinne der Nr. 6 Buchst. a aber schon deshalb gegeben, weil die Ernte auch der außerhalb gelegenen Flächen auf den Hof des Klägers verbracht würden. Dort seien die Bearbeitungsmaschinen stationiert und die Arbeitszeit der Mitarbeiter beginne und ende dort.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sei auch die Erschließung des Grundstücks gesichert. Der Betrieb der Biogasanlage erfolge im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers, so dass zwangsläufig auch der anlagenbedingte Verkehr landwirtschaftlicher Verkehr sei. Damit habe er einen widmungsgemäßen Nutzungsanspruch. Bezüglich des Verkehrsschildes mit einer Begrenzung des zulässigen Gesamtgewichtes für den S. Weg, die aus den 60er Jahren stamme, sei unklar, aufgrund welcher Rechtsgrundlage diese Beschränkung erlassen worden sei. Heutiger landwirtschaftlicher Verkehr bedinge zwangsläufig den Einsatz von Fahrzeugen mit einem höheren Gewicht. Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Anordnung mache den Landwirten die Bearbeitung ihrer Betriebsflächen unmöglich und sei daher unwirksam. Vielmehr sei die Gemeinde zu einem Ausbau der Wege im erforderlichen Maße verpflichtet. Derzeit würden aber die vorhandenen Wege den Anforderungen der heutigen Landwirtschaft und damit auch der beantragten Anlage noch genügen. Die von der Beigeladenen dokumentierten Beschädigungen an einigen wenigen Stellen ließen darauf schließen, dass die Wege durchaus für die derzeitige Belastung grundsätzlich geeignet seien.

Mit Schreiben vom 02. September 2004 ließ der Kläger mitteilen, dass geplant sei die Biomasse überwiegend aus 80 ha des eigenen Betriebes sowie aus den Betrieben L. & S. in I. (60 ha) und Hofgut W. (200 ha), I., bereitzustellen. Entsprechende Vereinbarungen seien getroffen worden.

Unter dem 30. November 2004 wurde dem Kläger die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – unter Beifügung von Nebenbestimmungen erteilt. Zur Begründung ist angegeben: Bei antragsgemäßer Ausführung und unter Beachtung der in diesem Bescheid festgelegten Nebenbestimmungen sei sichergestellt, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt würden. Insbesondere sei sichergestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage hervorgerufen würden. Das rechtswidrig versagte Einvernehmen der Ortsgemeinde B. sei zu ersetzen gewesen. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen könne am Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes kein Zweifel bestehen. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung trotz des erheblichen Umfangs an Pachtflächen von der Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Betätigung auszugehen sei, lägen hier vor. Auch die Landwirtschaftskammer habe das Vorliegen einer landwirtschaftlichen Tätigkeit ausdrücklich bestätigt. Der Privilegierung der Anlage stehe auch nicht entgegen, dass ein Großteil der Flächen im D. und in Nachbargemarkungen liege. Die Landwirtschaftskammer habe bestätigt, dass der Kläger wegen Flächenmangels darauf angewiesen gewesen sei, in benachbarte Gemarkungen und Kreise auszuweichen. Es fehle auch nicht an der notwendigen wegemäßigen Erschließung. Es handele sich um landwirtschaftlichen Verkehr und der Kläger habe einen Anspruch auf widmungsgemäße Benutzung des Wegenetzes. Die straßenverkehrsrechtliche Beschränkung sei im Hinblick auf die heutigen Anforderungen des landwirtschaftlichen Verkehrs hinfällig.

Mit Bescheid vom 03. Dezember 2004 ordnete der Beklagte auf Antrag des Klägers die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 30. November 2004 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2004 legte die Beigeladene Widerspruch gegen die Genehmigung vom 30. November 2004 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Genehmigung, was der Beklagte ablehnte.

Zur Begründung des daraufhin am 02. März 2005 bei Gericht gestellten Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs stützte sich die Beigeladene u.a. auf ein Gutachten des Sachverständigen K. vom 18. Februar 2005, das zum Ergebnis kommt, dass der Kläger die angestrebte Vergärung von 16000 t Biomasse pro Jahr nicht überwiegend aus dem landwirtschaftlichen Betrieb erzeugen könne, unabhängig davon, ob in Anbetracht der widersprüchlichen Angaben zur Betriebsfläche von 50 ha oder von 80 ha Betriebsfläche auszugehen sei. Insgesamt liege das realistische Ertragspotential bei Triticale mit Untersaat (einjähriges Weidelgras) unter Berücksichtigung einer optimalen Ausnutzung aller acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen bei maximal 50 t jährlich pro Hektar, somit bei einer Fläche von 80 ha bei 4000 t, bei einer Fläche von 50 ha bei 2500 t. Bei einem Biomassebedarf pro Jahr für eine 500-kW-Anlage von 16000 t betrage der Anteil aus eigenem Betrieb damit nur etwa 25 % bzw. 15,6 %. Der vom Gesetzgeber geforderte Mindestanteil aus landwirtschaftlichem Betrieb in Höhe von mindestens 51 % werde bei weitem nicht erzielt. Die Mindestanbaufläche für die Erzielung eines 51%igen Anteils an der Gesamtinputmenge von 16000 t betrage bei 50 t/pro ha Biomasseertrag ca. 163 ha.

In der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 25. März 2005 gab der Gutachter K. des Weiteren an, es sei nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger angebe, dass durch eine speziell auf Biomasseertrag ausgelegte Fruchtfolge mit zwei bis drei Ernten pro Jahr eine Ertragsfläche von 190 ha zu erzielen sei. Vielmehr sei die Fotosyntheseleistung eines Hektars nicht beliebig vermehrbar. Nach heutigen pflanzenbaulichen Erkenntnissen liege das Ertragspotential von Biomasse im gesamten Jahr auch unter Berücksichtigung von zwei Kulturen und mehreren Ernten bei ca. 50 t/ha und nicht bei 103 t/ha. Wenn z.B. ausschließlich Weidelgras angebaut werde mit drei bis vier Nutzungen pro Jahr so verteile sich das Jahresertragspotential von 50 t/ha auf diese drei bis vier Nutzungen.

Mit Beschluss vom 30. März 2005 (6 L 113/05.MZ) gab das Gericht dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statt und gab zur Begründung im Wesentlichen an: Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Privilegierungstatbestandes des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB lägen nicht vor. Soweit der Kläger bei der Berechnung der erforderlichen Biomasse von einer Bewirtschaftung von 80 ha Land ausgehe sei dies nicht zutreffend. Für 2004 habe er in seiner Kurzbetriebsbeschreibung hinsichtlich der Fläche angegeben: „50 ha Ackerbau + 50 ha über Lohnbewirtschaftung“. Die 50 ha, die der Beigeladene über Lohnbewirtschaftung bearbeite könnten jedoch nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet werden, weil er insoweit lediglich landwirtschaftliche Dienstleistungen für Dritte erbringe und ein eigenverantwortliches Bewirtschaften auf diesen Flächen nicht stattfinde. Es könne daher allenfalls von 50 ha Betriebsfläche ausgegangen werden, wovon auch die Landwirtschaftskammer in ihren Stellungnahmen ausgegangen sei. Außerdem könne von einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht ausgegangen werden, weil die landwirtschaftliche Betätigung weit überwiegend auf fremdem Grund und Boden verwirklicht werde. Als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB sei es nicht zulässig, da es zumindest die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtige.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens legte der Kläger eine gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. M. vom 02. Mai 2005 vor, wonach der festzustellende Strukturwandel der Landwirtschaft zwangsläufig dazu führe, dass landwirtschaftliche Betriebe nur über Flächenzupacht das für ihr Überleben notwendige Flächenwachstum erreichen könnten. Es sei unzutreffend, dass bei einem Eigentumsanteil von nur etwa 10 % nicht von einer nachhaltigen Landwirtschaft gesprochen werden könne. Die betriebliche Realität bestätige das Gegenteil.

Die Beschwerde wurde durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juni 2005 (7 B 10502/05.OVG) zurückgewiesen.

Am 27. Juli 2005 hat die Beigeladene Untätigkeitsklage erhoben (3 K 444/05.MZ).

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Februar 2006 hob der Beklagte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 30. November 2004 auf, im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Kläger selbst bei großzügiger Bewertung nicht nachgewiesen habe, dass er die erforderliche Mindestmenge an Biomasse nach den gesetzlichen Vorgaben bereitstellen könne.

Im Hinblick auf die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch den Widerspruchsbescheid wurde das Klageverfahren 3 K 444/05.MZ durch die Beigeladene und den Beklagten übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 06. Februar 2006 mit am 03. März 2006 eingegangenem Schreiben Klage erhoben.
Zur Klagebegründung wird angegeben: Er habe bereits im Beschwerdeverfahren Nachweise über die Verfügbarkeit von Biomasse von weiteren ca. 210 ha nahe gelegener Betriebe vorgelegt (Gestüt W. vom 03. Mai 2005 – Bl. 145 der Akte 6 L 113/05.MZ -). Im Widerspruchsverfahren seien nochmals konkrete Nachweise über die Verfügbarkeit von ca. 300 ha nahe gelegenen Flächen vorgelegt worden. In einem Aktenvermerk des Beklagten vom 12. Januar 2006 werde bestätigt, dass er zusätzlich ca. 300 ha nahe gelegene Flächen außerhalb seines Betriebes zur Produktion von Biomasse nachweisen könne (Bl. 55 der Widerspruchsakten). Der wesentliche Teil sei durch Liefer- und Abnahmeverträge gesichert. Der Kläger hat hierzu einen Anbau- und Abnahmevertrag, bezogen auf 130 ha mit dem Gestüt und Hofgut W. sowie einen entsprechenden Vertrag mit der Firma L., I., bezogen auf 60 ha vorgelegt, jeweils mit der Gültigkeitsdauer von 2006 - 2016. Selbst der Sachverständige K., dessen Ausführungen nach wie vor als unrealistisch niedrig bestritten würden, bestätige das Ausreichen einer Mindestanbaufläche von ca. 163 ha für die Erzielung eines 51%-igen Anteils an der Gesamtinputmenge von 16000 t jährlich. Soweit dem Ausgangsbescheid seine Angaben zugrunde lägen, dass für die Biomasseproduktion ca. 80 ha vorhanden seien, könne der überwiegende Anteil der für die Anlage benötigten Biomasse auf dieser Fläche produziert werden. Der Sachverständige Prof. Dr. S. bestätige dies auch grundsätzlich. Wenn er eine ausreichende Wasserversorgung voraussetze, sei dies selbstverständlich. In trockenen Jahren müsse gegebenenfalls bewässert werden. Zusätzlich zu dieser Möglichkeit habe er bereits im September 2004 konkrete Angebote benachbarter Betriebe über die Bereitstellung großer Flächen für den Anbau von Biomasse vorgelegt, so das entsprechende Schreiben der Firma L. vom 01. September 2004 und das Schreiben des Gestüts W. vom 03. Mai 2005. Obwohl der Beklagte nicht auf die Notwendigkeit entsprechender Unterlagen hingewiesen habe, sei damit bereits vor der Erteilung der Genehmigung bzw. kurz danach die Verfügbarkeit großer zusätzlicher Flächen nachgewiesen worden. Es könne also keine Rede davon sein, dass er durch nachträgliche Benennung weiterer Anbauflächen einen neuen Sachverhalt eingeführt habe, der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht habe berücksichtigt werden können. Auch die Forderung des Beklagten nach der Benennung konkreter Grundstücke sei unerklärlich. Es erscheine gänzlich unrealistisch und finde auch keine Stütze im Gesetz, den Anlagenbetreiber daran hindern zu wollen, während der auf mehrere Jahrzehnte angelegten Laufzeit der Anlage die Bezugsquellen für die Biomasse zu wechseln.


Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 06. Februar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Kläger habe durch nachträgliche Benennung weiterer 190 ha Anbauflächen einen neuen Sachverhalt eingeführt, der nur im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Änderungsverfahrens, nicht aber im Widerspruchsverfahren habe geprüft und beschieden werden können. Das Widerspruchsverfahren sei seinem Gegenstand nach auf die Prüfung des angefochtenen Bescheides beschränkt. Wenn der Gegenstand einer Genehmigung durch nachgereichte neue Unterlagen wesentlich verändert werde, so seien auf diesen Fall – auch schon vor Bestandskraft des Genehmigungsbescheides – die Vorschriften des Immissionsschutzrechts über die Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen anzuwenden, einschließlich der damit verbundenen verfahrensrechtlichen und gebührenrechtlichen Regelungen. Das Widerspruchsverfahren könne dieses spezialgesetzlich geregelte Verfahren nicht ersetzen, zumal nur dadurch die vorgeschriebene Anhörung oder Mitwirkung von Beteiligten oder Stellen, die im Widerspruchsverfahren möglicherweise gar nicht beteiligt seien, gewährleistet werden könne. Ob der Kläger nunmehr mit nachträglich geänderten oder neuen Angaben bzw. nach weiterer Präzisierung die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB belegen könne, müsse der Überprüfung in einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren, bei Wahrung der Mitwirkungsrechte von Verfahrensbeteiligten sowie gegebenenfalls unter Einschaltung sachverständiger Stellen und Gutachter vorbehalten bleiben, könne aber nicht in einem streitgegenständlich beschränkten Widerspruchsverfahren entschieden werden. Auch der Vortrag des Klägers, er verfüge über die technische Ausrüstung zur Bewässerung von Flächen und er sei imstande, mit dieser Hilfe die nach Auskunft des von ihm benannten Sachverständigen Prof. S. erforderliche Feuchtigkeit auf den Biomasse-Anbauflächen zu gewährleisten, müsse überprüft werden, was ebenfalls nicht im Widerspruchsverfahren geleistet werden könne, weil damit Fachfragen der Wasserwirtschaft und wasserrechtliche Erlaubnistatbestände berührt seien, die von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG nicht erfasst würden. Insbesondere sei zu klären, ob der Kläger auf wasserrechtlich erlaubte Gewässernutzungen zurückgreifen könne oder ob er zunächst wasserrechtliche Erlaubnisse beantragen müsse.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: In der Betriebsbeschreibung der Antragsunterlagen werde ausführlich dargestellt, dass die Biomasse vom Kläger selbst auf dessen landwirtschaftlichen Flächen erzeugt werde. An dieser Betriebsbeschreibung sei der Kläger festzuhalten. Demgegenüber seien die nunmehr im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens vorgelegten Kooperationsvereinbarungen unerheblich. Auch das Oberverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss im Eilverfahren ausgeführt, dass für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Genehmigung die Betriebsbeschreibung des Klägers vom 09. September 2003 allein maßgeblich sei.

Durch Beschluss des Amtsgerichts B. vom 09. November 2006 (4 IN 42/06) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt K., M., hat mitgeteilt (Schreiben vom 12. Januar 2007 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers), dass der Rechtsstreit weiter geführt werden soll.

Das Gericht hat die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten 6 L 113/05.MZ und 3 K 444/05.MZ beigezogen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Das gemäß § 240 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochene Verfahren ist weiter zu führen, weil es der Insolvenzverwalter gemäß § 85 Abs. 1 Insolvenzordnung aufgenommen hat.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der im Wege der Anfechtungsklage angefochtene Widerspruchsbescheid des Beklagten (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat zu Recht die dem Kläger unter dem 30. November 2004 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage im Außenbereich der Ortsgemeinde B. auf den Widerspruch der Beigeladenen hin aufgehoben. Die im Zusammenhang mit der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 30. November 2004 erfolgte Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ist zu Unrecht erfolgt.

Auszugehen ist zunächst davon, dass die Errichtung und der Betrieb der in Frage stehenden Biogasanlage gemäß §§ 4, 10, 6 Abs. 1 Nr. 2, 13 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – i.V.m. §§ 1 und 2 der 4. BImSchV (Anhang Nr. 8.6 Spalte 2 b) der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf. In deren Rahmen ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImschG zu prüfen, ob der Errichtung und dem Betrieb der Anlage „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen“. Von daher ist insbesondere zu prüfen, ob dem Vorhaben Bestimmungen des Bauplanungsrechts entgegenstehen.

Da das Vorhaben unstreitig auf einem im Außenbereich stehenden Grundstück verwirklicht werden soll, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB mit der Folge, dass nach § 36 BauGB das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich ist. § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB regelt ausdrücklich, dass das Einvernehmen der Gemeinde auch erforderlich ist, wenn – wie vorliegend – in einem anderen Verfahren als dem Baugenehmigungsverfahren über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden wird. Das gemeindliche Einvernehmen wird also von der Konzentrationswirkung des § 13 BImschG nicht verdrängt. Die gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung und dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990, in NVwZ 1991, 1076, und vom 19. August 2004, in NVwZ 2005, 83). Dort wo die Gemeinde noch nicht geplant hat, wird sie im Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mitentscheidend beteiligt. Über den Weg der Einvernehmensversagung kann sie verhindern, dass ein bauplanungsrechtlich unzulässiges Bauvorhaben verwirklicht wird. Die Voraussetzungen des § 35 BauGB sind auf das Rechtsmittel der beigeladenen Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen. Die Gemeinde kann also insbesondere auch geltend machen, dass ein Vorhaben nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sei und öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtige (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. März 2006 – 1 A 10884/05.OVG – mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Der Beklagte hätte daher gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB das fehlende Einvernehmen der Beigeladen im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 30. November 2004 nur dann ersetzen dürfen, wenn die Versagung des Einvernehmens rechtswidrig erfolgt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Beigeladene hat vielmehr ihr Einvernehmen zu Recht deshalb verweigert, weil die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 35 BauGB das Vorhaben des Klägers im Außenbereich bauplanungsrechtlich zulässig wäre, nicht vorliegen.

Die Voraussetzungen des im Laufe des Genehmigungsverfahrens in Kraft getretenen Privilegierungstatbestandes für Biogasanlagen in § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, der durch das Europarechtsanpassungsgesetz – EAGBau 2004 – vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) eingeführt wurde, lagen zu keinem Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens, insbesondere auch nicht im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, vor.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauBG ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nr. 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nr. 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nrn. 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und die installierte elektrische Leistung der Anlage überschreitet nicht 0,5 MW.

Während nach bisherigem Recht Anlagen zur Nutzung von Biomasse nur als sog. „mitgezogene“ Nutzungen landwirtschaftlicher Betriebe nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert im Außenbereich genehmigungsfähig waren, handelt es sich bei § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB in Bezug auf Biogasanlagen um die speziellere und abschließende Regelung (vgl. Söfker in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB Stand Juli 2006, Rn. § 35/11 und 59 unter Hinweis auf die Amtliche Begründung in BT-Drucks. 15/2250 S. 55).

Die Privilegierung der vom Kläger geplanten Biogasanlage muss unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung, bereits daran scheitern, dass sie nicht „im Rahmen“ eines landwirtschaftlichen Betriebs (Betriebs nach Nr. 1) errichtet und betrieben werden soll. Es handelt sich insoweit um eine Einschränkung des Privilegierungstatbestandes, mit der, zusammen mit den weiteren in Nr. 6 Buchst. a bis d enthaltenen Voraussetzungen – ungeachtet der beabsichtigten Unterstützung des Strukturwandels in der Landwirtschaft und der stärkeren Förderung der Nutzung von Biomasse in der Landwirtschaft (vgl. Amtliche Begründung Drucks. 15/2250 S. 54/55) dem Gebot des Außenbereichsschutzes Rechnung getragen werden soll.
Wenn in der Nr. 6 des § 35 Abs. 1 BauGB vor den in 6 Buchst. a bis d genannten Einzelvoraussetzungen gewissermaßen grundlegend gefordert wird, dass die Anlage zur energetischen Nutzung von Biomasse „im Rahmen eines der in Nr. 1, 2 oder 4 genannten Betriebe“ betrieben wird, so werden damit Erfordernisse aufgestellt, wie sie mit dem Begriff des „Dienens“ bei anderen Privilegierungstatbeständen des § 35 Abs. 1 verbunden sind (vgl. hierzu Söfker in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Rn. § 35/59 b; Dürr in: Brügelmann, BauGB, Rn. § 35/63). Soweit es sich um den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt, gehören zu einer „dienenden Funktion“ u.a. eine bestimmte funktionale Beziehung des Vorhabens zum landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne einer Zu- und Unterordnung. Das Vorhaben muss in Bezug auf den landwirtschaftlichen Betrieb ähnlich wie Zubehör eine Hilfsfunktion erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 1985 – 4 C 71/82 – m.w.N.). Von daher wird eine privilegiert im Außenbereich zulässige Biogasanlage nur dann „im Rahmen“ eines landwirtschaftlichen Betriebes errichtet und betrieben, wenn sie gegenüber dem landwirtschaftlich geprägten Schwerpunkt des Betriebes von untergeordneter Bedeutung ist. Eine Biogasanlage die demgegenüber den Schwerpunkt des landwirtschaftlichen Betriebs dergestalt darstellt, dass der Betrieb insgesamt, sowohl in Bezug auf die bewirtschafteten Flächen als auch bezüglich der Betriebsabläufe, ausschließlich auf die Erzeugung von Biomasse ausgerichtet ist, wird nicht mehr „im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs“ errichtet und betrieben. Hiervon ist jedoch hinsichtlich der vom Kläger geplanten Biogasanlage auszugehen mit der Folge, dass eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ausscheidet.

Ob es aus den gleichen Gründen auch an der Voraussetzung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a fehlt, wonach das Vorhaben in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem (landwirtschaftlichen) Betrieb stehen muss oder ob dieser Bestimmung keine weitergehende Bedeutung zukommt, als sie bereits mit dem Begriff des Dienens („im Rahmen“) verbunden ist (so Dürr in: Brügelmann, BauGB, Rn. § 35/63) kann dahinstehen.

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Betrieb des Klägers die an einen landwirtschaftlichen Betrieb nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu stellenden Anforderung in Bezug auf Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit erfüllt (BVerwG, Urteil vom 03. November 1972 – 4 C 9.70 -; Urteil vom 19. April 1985 – 4 C 13.82 -; Urteil vom 19. April 1984 – 4 C 54.82 -). Ob die vom Gericht in seinem Beschluss vom 30. März 2005 (6 L 113/05.MZ) insoweit geäußerten Bedenken, die sich daraus ergeben, dass nur etwa 1/10 der dem Betrieb des Klägers zuzurechnenden landwirtschaftlichen Flächen in seinem Eigentum stehen, weiterhin berechtigt sind oder ob sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Pachtverträgen eine hinreichende Dauerhaftigkeit der Bewirtschaftung entnehmen lässt, kann letztlich offen bleiben.

Es fehlt jedenfalls, wie bereits dargelegt, daran, dass die Biogasanlage nicht „im Rahmen“ eines landwirtschaftlichen Betriebes errichtet und betrieben werden soll. Bereits die Angaben des Klägers im Genehmigungsantrag vom 01. September 2003 in Verbindung mit der Betriebsbeschreibung vom 09. September 2003 lassen deutlich erkennen, dass er beabsichtigt, seinen Betrieb in vollem Umfang auf die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe zur Belieferung der Biogasanlage auszurichten. Wenn er dort angegeben hat, dass für die Beschickung der Biogasanlage eine Fläche von ca. 80 ha vorgesehen sei, auf der Triticale mit Untersaat angebaut werde, es könnten dadurch ca. 8200 t/a Biomasse erzeugt werden, so setzt dies offensichtlich den Einsatz der gesamten in seinem Eigentum stehenden sowie der gepachteten Flächen – insgesamt ca. 50 ha – voraus. Daneben sollen 30 ha derjenigen Flächen, die er als Lohnunternehmer bewirtschaftet und bei denen ihm seinen Angaben zufolge ein Verfügungsrecht über die Ernte zusteht zur Produktion von Biomasse eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Angaben des Klägers bezüglich der zu erzielenden Biomasse von 8200 t/a pro Hektar nur dann nachvollziehbar sind, wenn die gesamte Ernteabfolge auf der gesamten Fläche zur Erzeugung nachwachsender Rohstoffe eingesetzt werden soll. Zwar sind in Anbetracht des Gutachtens des Sachverständigen K. vom 18. Februar 2005/25. März 2005, der von einer maximal möglichen Ertragsmenge von 50 t/a pro Hektar ausgeht, ohnehin Zweifel an der vom Kläger angesetzten Ertragsmenge berechtigt, entscheidend ist aber im Zusammenhang der hier zu beurteilenden Frage allein, ob davon auszugehen ist, dass der Kläger seinen Betrieb nach einer etwaigen Genehmigung der Biogasanlage dergestalt zu einem reinen „agrarindustriellen“ Betrieb umstrukturieren wird, dass von einem landwirtschaftlichen Betrieb im herkömmlichen Sinne nichts übrig bleibt. Hiervon ist aber dann auszugehen, wenn die gesamten, dem Betrieb zu Eigentum oder zur Pacht zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen nur noch der Produktion von Biomasse zur Belieferung der Biogasanlage dienen.

Der Umstand, dass es sich bei der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen des Betriebs mit nachwachsenden Rohstoffen um landwirtschaftliche Betätigung im Sinne von § 201 BauGB („Ackerbau“) handelt, weil der Boden zum Zwecke der Nutzung seines Ertrages planmäßig eigenverantwortlich bewirtschaftet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1974 – 4 C 22.73 – in DVBl. 1975, 504), vermag nichts daran zu ändern, dass unter den dargestellten Voraussetzungen der Schwerpunkt des Betriebes auf der Biogasanlage liegt und daher eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ausscheidet.

Zwar ist auch die „gezielte“ Herstellung von Biomasse zulässig, um die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB auszulösen, sie darf aber die primäre Tätigkeit des nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu beurteilenden Betriebs nicht überwiegen (vgl. Söfker in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB Rn § 35/59 a; Bitterwolf-de Boer in: Gemeinde und Stadt, Beilage 6/2005 zu Heft 4/2005, „Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Biogasanlagen nach dem EAG Bau“).

Etwas anderes ergibt sich insbesondere auch nicht aus § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB, wonach die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen (landwirtschaftlichen) Betrieben stammen muss. Es handelt sich insoweit hinsichtlich der Biomasse um eine zusätzliche Voraussetzung des Privilegierungstatbestandes ohne dass sich daraus rechtliche Folgerungen für die hier interessierende Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Biogasanlage noch „im Rahmen“ eines landwirtschaftlichen Betriebes errichtet und betrieben wird, herleiten ließen. Ob vorliegend die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB jedenfalls im Hinblick auf die inzwischen vorgelegten Anbau- und Abnahmeverträge mit der Firma L. GbR vom 12. Januar 2006 sowie mit dem Gestüt und Hofgut W. vom 13. Januar 2006 vorliegen und ob deren Berücksichtigung aus Rechtsgründen möglich ist oder nicht, kann daher offen bleiben.

Auch in Anbetracht der Äußerungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass er die gesamte Fläche des im Januar 2006 aus 7 ha Eigentumsfläche und 43 ha Pachtfläche bestehenden Betriebes für den Anbau von Biomasse (Triticale mit Untersaat) vorgesehen habe muss davon ausgegangen werden, dass er offenbar vor dem Hintergrund staatlicher Zuschüsse nach dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) den Betrieb insgesamt auf die Gewinnung von Bioenergie umstellen will.

Zwar würde er möglicherweise unter Verwendung von Biomasse auch aus nahe gelegenen Fremdbetrieben die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b BauGB erfüllen können, ohne die gesamten Flächen seines Betriebes für die Biomasse einzusetzen, es ist aber davon auszugehen, dass er aus wirtschaftlichen Gründen hierzu gezwungen sein wird, weil der Ankauf von Biomasse aus Fremdbetrieben sich wirtschaftlich ungünstiger darstellt als die Eigenproduktion. Hierbei haben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Klägers, wie sie durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenkundig geworden sind, fraglos eine nicht unerhebliche Bedeutung.

Liegen demnach die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB aus den genannten Gründen nicht vor, kann offen bleiben, ob die ausreichende Erschließung des Grundstücks gesichert ist und ob dem Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

Als „sonstiges Vorhaben“ i.S. von § 35 Abs. 2 BauGB kann das Vorhaben nicht genehmigt werden, weil es öffentliche Belange i.S. von § 35 Abs. 3 BauGB in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt.

Das Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Der Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde G.-A. – Zweite Fortschreibung – vom 23. Mai 2002 weist für den Bereich, in dem das Grundstück liegt „Flächen für die Landwirtschaft“ aus. Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 68, 311; 79, 318) einem privilegierten Bauvorhaben gegenüber Ausweisungen im Flächennutzungsplan nur dann entgegen gehalten werden, wenn es sich um konkrete standortbezogene Aussagen handelt, wobei die Darstellung von Flächen für die Landwirtschaft in einem Flächennutzungsplan im allgemeinen keine solche qualifizierte Standortzuweisung darstellt, sondern dem Außenbereich lediglich die ihm ohnehin nach dem Willen des Gesetzes in erster Linie zukommende Funktion zuweist, der Land- und Forstwirtschaft und dadurch zugleich auch der allgemeinen Erholung zu dienen.

Etwas anderes hat jedoch in Bezug auf nicht privilegierte Vorhaben zu gelten. Sofern die Darstellungen des Flächennutzungsplans den besonderen örtlichen Verhältnissen entsprechen, stellen sie gegenüber nicht privilegierten Bauvorhaben einen öffentlichen Belang dar (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 01. April 1997 – 4 B 11/97 – in NVwZ 1997, 899 m.w.N.). Da vorliegend die Ausweisung von Flächen für die Landwirtschaft durch den Flächennutzungsplan im fraglichen Bereich den tatsächlichen Gegebenheiten fraglos entspricht und sich die Errichtung einer Biogasanlage als landwirtschaftsfremde gewerbliche Betätigung darstellt, ist das Vorhaben mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht zu vereinbaren.

Ob das im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung „Selztal“ geplante Bauvorhaben darüber hinaus „Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt oder ob, wovon die obere Landespflegebehörde ihrer Stellungnahme vom 15. April 2004 zufolge ausgeht, der Eingriff bei Durchführung der im landespflegerischen Begleitplan vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen als ausgeglichen angesehen werden kann, kann letztlich offen bleiben.

Das Vorhaben des Klägers beeinträchtigt jedenfalls „die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert“ im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Außenbereich grundsätzlich von allen nicht unmittelbar seinem Wesen und seiner Funktion entsprechenden Baulichkeiten freigehalten werden soll. Dieser Grundsatz rechtfertigt sich nicht nur aus der bodenrechtlichen Eigenart und Sonderstellung des Außenbereichs, sondern in gleicher Weise auch in der Einsicht, dass das dringende Bedürfnis nach einer gesunden Siedlungsstruktur im allgemeinen eine nicht der Funktion des Außenbereichs zugeordnete Bebauung als eine zu missbilligende Zersiedlung erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1967 – 4 C 25.66 -, BVerwGE 27, 137; Urteil vom 30. April 1969 – 4 C 63.68 – in NJW 1970, 346). Da die Umgebung des in Frage stehenden Baugrundstücks in einem durch die Landwirtschaft geprägten Umfeld liegt, stellt sich die einer gewerblichen Zweckbestimmung zuzuordnende Biogasanlage als wesensfremde Bebauung in diesem Umfeld dar. Hierbei ist es unerheblich, dass durch die im landespflegerischen Begleitplan genannten Maßnahmen das äußere Erscheinungsbild der Biogasanlage als „agrarindustrielle Anlage“ zumindest abgemildert werden kann. Dies wäre allenfalls für die Frage von Bedeutung, ob das Vorhaben zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB führt. Es kommt hier nicht auf die optische, sondern auf die funktionelle Abweichung des Vorhabens von der Umgebung an, so dass die natürliche Eigenart der Landschaft auch dann beeinträchtigt sein kann, wenn das Vorhaben durch Bepflanzung, Farbanstrich oder Lage so versteckt ist, dass es aus einer gewissen Entfernung nur schwer oder sogar gar nicht zu sehen ist (vgl. BVerwG – 4 C 63.68 – a.a.O.).

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung wird gemäß §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache bezüglich der Auslegung und Anwendung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB grundsätzliche Bedeutung hat.

Beschluss
der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 23. Januar 2007.

Der Streitwert wird auf 60.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
09.02.2007