Geopark statt Windpark
Arbeitsgemeinschaft gegen Windkraftstandorte im
Odenwald
c/o Peter Wassenaar, Brehmhof 15, 64720 Michelstadt-Vielbrunn
Vielbrunn, den 04. Mai 2007
Regierungspräsidium
Dez. III 31.1
Luisenplatz 2
64278 Darmstadt
Betr.: Ausweisung von
Vorrangflächen für die Nutzung der Windenergie im
UNESCO-Geopark Bergstraße/Odenwald im Rahmen des Regionalplanes
Südhessen (RPS)
Sehr geehrte Damen und Herren,
den von der
Regionalversammlung in deren Sitzung vom 02. Februar 2007
festgestellten und zur Offenlage und Stellungnahme öffentlich
ausgelegten Entwurf des Regionalplanes Südhessen (RPS) haben wir
eingesehen und nehmen zum Absatz 8.2 "Regenerative Energien" wie folgt
Stellung:
Es ist festzustellen, dass es im Rahmen der Erarbeitung
des Entwurfes des Regionalplanes nicht gelungen ist, die
Unbedenklichkeit der Windenergienutzung im Konflikt mit Natur und
Landschaft vor dem Hintergrund des UNESCO-Geoparkes und des Naturparkes
Bergstraße/Odenwald nachzuweisen und, damit einhergehend, ein
konkreter Standort für Windenergie-Anlagen gefunden werden kann.
Die Qualität von
Natur und Landschaft, deren Erholungswert und das Landschaftsbild, die
Avifauna und der Biotopschutz sind nicht ausreichend gewürdigt
worden. Es darf nicht verkannt werden, dass zwischen Windenergienutzung
und den genannten Belangen Konflikte bestehen, die auf Grundlage der
diskutierten Planung auch nicht bewältigt werden können.
§ 35 Abs. 1 Ziffer 6 des Baugesetzbuches (BauGB) "privilegiert"
die Nutzung der Windenergie. Dieser Gesetzesvorrang steht aber
ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass öffentliche Belange
dem Vorhaben nicht gegenüberstehen dürfen:
"Im Außenbereich
ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange
nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung
gesichert ist und wenn es ... 6. der Erforschung, Entwicklung oder
Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient."
Einem Vorhaben im
Außenbereich entgegenstehende "öffentlichen Belange" werden
im Abs. 3 der gleichen Vorschrift definiert:
"Eine
Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor,
wenn das Vorhaben ... 5. Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die
natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert
beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet".
Diese Belange sind vor
dem Hintergrund der durch die Ausweisung als UNESCO-Geopark
geschützten Kulturlandschaft des Odenwaldes entsprechend ihrer
Bedeutung auch im internationalen Kontext zu gewichten und in den
Abwägungsprozess einzustellen.
Die Belange des
Naturschutzes und der Landschaftspflege und ihre Schutzwürdigkeit
sind im Bundesnaturschutzgesetz und im Hessischen Naturschutzgesetz
umschrieben. Diese Vorschriften stellen von sich heraus Anforderungen
an Eingriffe in Natur und Landschaft. Als Eingriffe gelten u.a. die
Herstellung von baulichen Anlagen. Maßgebend dabei ist die
tatsächlich gegebene Landschaftssituation, in der das Vorhaben
geplant ist. Dabei ist das Vorhaben zu untersagen, wenn die
Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden sind.
Windenergieanlagen im
Odenwald als UNESCO-Geopark sind vermeidbar. Das "Gewicht" der durch
die UNESCO ausdrücklich unter Schutz gestellten Kulturlandschaft
wiegt mehr, als wirtschaftliche Interessen der Windindustrie, auch vor
dem Hintergrund der Privilegierung durch das BauGB.
Die natürliche
Eigenart der Landschaft wird nicht nur dadurch beeinträchtigt,
dass eine Verunstaltung des Landschaftsbildes hervorgerufen oder der
förmliche Landschaftsschutz dadurch verletzt wird (vergl. BverwG,
Beschl. v. 29.04.1968), sondern auch dadurch, dass Anlagen errichtet
werden, die nach ihrer Art oder Nutzung mit der Eigentümlichkeit
der umgebenden Landschaft nicht in Einklang stehen und die
Möglichkeit zur allgemeinen Erholung beeinträchtigen (vergl.
BverwG, Beschl. v. 21.09.1965).
Zweck dieser Vorschrift ist es, die
Außenbereichslandschaft vor dem Eindringen wesensfremder
Nutzungen zu schützen (vergl. Hess. VGH, Beschl. v. 04.09.1969).
Grundsätzlich darf das jeweilige Vorhaben keinen Fremdkörper
in der Landschaft bilden (vergl. BverwG., Urteil vom 24.08.1979). In
diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, ob das wesensfremder Nutzung
dienende Objekt durch Bäume gegen Sicht gedeckt oder
auffällig sichtbar ist und ob seine Zweckbestimmung erkennbar ist
(vergl. BverwG, Beschl. v. 27.10.1964 und 15.10.1965). Es kommt neben
dem optisch-ästhetischen Bezug auch darauf an, daß die
funktionelle Bestimmung der Landschaft keine nachteilige
Veränderung erfährt (vergl. BverwG, Urteil v. 25.02.1976 und
Hess. VGH, Urteil v. 08.12.1978).
Das Landschaftsbild und
die Landschaftsstruktur des Odenwaldes sind besonders dazu geeignet,
der natürlichen Landschaft ihr besonderes, zu schützendes
Gepräge zu geben. Dabei geht es insbesondere um die Wirkung
landschaftsprägender Elemente auf den Menschen (wie die
Abwechslung zwischen offener Landschaft und Wald, Streuobstwiesen,
Höhen und Täler), der als objektiver Betrachter die
Zusammenhänge, die Vielfalt, die Eigenart und Schönheit der
Natur erlebt.
Nun könnte alledem
entgegen gehalten werden, dass die Aufgabe des Odenwaldes als
Erholungsgebiet nur beeinträchtigt werden könne, wenn die
Landschaft auch tatsächlich diesen Erholungswert besitzt. Der
Odenwald als typisches Naherholungs- und auch Kurzurlaubsgebiet
für die Ballungszentren Rhein-Main und Rhein-Neckar dient aber als
"stadtnaher", grüner Bereich. Und gerade die Ausweisung als
UNESCO-Geopark wird in Zukunft auch zahlreiche Urlauber mehr in den
Odenwald locken, die die ungestörte Erholung suchen.
Exponierte Lagen, wie sie
durch Windkraft-Anlagen nun einmal bevorzugt bebaut werden, führen
zu einer noch schärferen Beurteilung der Situation. Durch ihre
visuelle Wahrnehmbarkeit über viele Kilometer in alle
Himmelsrichtungen und ihre durch die Rotorbewegungen verursachte Unruhe
in der Landschaft führen sie zwangsläufig zu einer
Landschaftsverunstaltung, die jeden an ästhetischen Fragen
interessierten, für unberührte Natur und Landschaft
aufgeschlossenen Betrachter ein Unlustgefühl erweckt (vergl. Hess.
VGH, Urteil v. 25,08.1976) und Protest auslöst. Dabei kann sich
ein Windkraftbetreiber auch nicht auf eine evtl. Vorbelastung der
Umgebung berufen. Eine Verunstaltung der Landschaft tritt schon dann
ein, wenn sie für Jedermann sichtbar wird.
Der oft gebrachte
Vergleich mit der "Landschaftsbelastung" durch Masten von
Hochspannungsleitungen ist untauglich. Denn die Masten "bewegen" sich
nicht und außerdem sind infolge des Ausbaues der Windkraft
erhebliche Neubauten von Stromtrassen notwendig, die ohne die
Windkraftnutzung überhaupt nicht notwendig wären. Die
"DENA-Windkraft-Studie" (im Einvernehmen mit der Windkraftbranche
erstellt) sieht sogar die Notwendigkeit, zwei gewaltige Trassen von
Nord- nach Süddeutschland zusätzlich zu errichten, um den
Windkraftstrom aus sog. Offshore-Anlagen in der Nord- und Ostsee nach
Süddeutschland abführen zu können.
Windkraftanlagen sind
Fremdkörper in der kleingliedrigen und reliefartigen Landschaft
des Odenwaldes. Diese baulichen Anlagen beeinträchtigen das
Landschaftsbild erheblich und nachhaltig im Sinne der Bestimmung des
§ 35 Abs. 3 Ziffer 5 BauGB. Durch ihre Größe haben
Windräder raumbedeutsame, weithin die Landschaft prägende
Eigenschaften, die nicht ausgeglichen werden können. Dem
"Wachstum" der Anlagen nach oben wird in Zukunft keine Grenzen gesetzt
sein, damit steigt auch die Belastung der Landschaft weiter an. Der
Odenwald ist topographisch sehr bewegt. Es handelt sich um eine
mosaikartige Landschaftsstruktur, geprägt durch zahlreiche
charakteristische Einzelelemente und eine landwirtschaftliche Nutzung,
die zum Erhalt der intakten Kulturlandschaft beiträgt. Von den
Höhen in der Umgebung besteht eine ungehinderte Weitsicht sowohl
über den Odenwald selbst als auch in die Rheinebene im Westen,
Richtung Spessart im Osten, auf Frankfurt und den Taunus und den Rodgau
/ die Wetterau im Norden. Im Zusammenspiel mit der
abwechslungsreichen und intakten Landschaft ist diese Situation als
besonders erlebniswirksam zu bezeichnen. Unsere Region hat im Umkreis
von 1,5 Std. Fahrzeit ein Einzugsgebiet von 17 bis 18 Mio.
Bürgerinnen und Bürger, die eine konfliktfreie,
naturverbundene Erholungslandschaft suchen. Aufgrund der Höhenlage
der Standorte und ihrer Platzierung im Raum entfaltet sich eine
erhebliche Fernwirkung. Windkraftanlagen beeinträchtigen die
Odenwaldkulisse deutlich. Die Errichtung von Windkraftanlagen
würde die durch die Unterschutzstellung angestrebte Erhaltung und
Wiederherstellung der naturnahen und artenreichen Kulturlandschaft in
ihrem Erscheinungsbild erheblich und nachhaltig beeinträchtigen.
Die im Regionalplan ausgewiesenen "Bereiche für
Windenergienutzung" stehen aber auch im Gegensatz zu ebenfalls dort
formulierten "Grundsätzen der Planung" und die einhergehende
Begründung zu 4-7. Siehe G 4.7-1: "Gebiete, die aufgrund der
besonderen Eigenart des Landschaftsbildes, ihrer Ausstattung mit Wald,
strukturreichen landwirtschaftlich genutzten
Flächen und anderen naturnahen Landschaftselementen eine besondere
Bedeutung für die landschaftsbezogene Erholung aufweisen, sollen
für die Allgemeinheit erhalten, entwickelt und vor
Beeinträchtigungen durch entgegenstehene Nutzungen geschützt
werden". Und G 4.7-2 "Großräumig zu schützende
Erlebnis- und Erholungsräume stellen insbesondere ... Odenwald ...
dar".
Außerdem ist
zwischenzeitlich hinreichend bekannt, dass die durchschnittlichen
Windgeschwindigkeiten in unseren süddeutschen Mittelgebirgen - wie
überhaupt in Süddeutschland - keine wirtschaftliche Nutzung
der Windenergie ermöglichen. Die Windradbetreiber leben dort
ausschließlich von der Überförderung durch die
gesetzlichen Vorgaben des EEG. Wobei grundsätzlich in Frage zu
stellen ist, ob die EEG-Vergütung überhaupt positive
Rendite-Erwartungen für die Kapitalanlager erwarten lässt.
Was bedeutet, dass Investitionsruinen durch Insolvenzen entstehen
können.
Dabei ist auch auf die
Problematik der Beseitigung von Fundamenten im Falle eines
Rückbaues der Anlagen hinzuweisen. Diese Aufwendungen müssten
dann möglicherweise von den Grundstücksbesitzern getragen
werden, die sich dessen oft nicht bewusst sind.
Wir beantragen deshalb:
1. bei
der Novellierung des Regionalplanes Südhessen (RPS) die Nutzung
der Windenergie aus den dargelegten Gründen auszuschließen
und
2. die derzeit dargestellten "Bereiche für die
Windenergienutzung" im ÜNESCO-Geopark Odenwald ersatzlos zu
streichen
und verweisen darauf,
daß der Regionale PIanungsverband Bayerischer Untermain, Region
I, eine Windkraftnutzung innerhalb der Naturparkschutzzonen des
Odenwaldes ebenfalls ausgeschlossen hat.
Auch der vorliegende
Regionalplan Südhessen geht auf die Alternativen ein. Der
"Grundsatz der Planung" G 8.2-1 zur regenerativen Energieerzeugung
läßt ausdrücklich den Spielraum, durch die Erstellung
von Energiekonzepten den Örtlichen und regionalen Gegebenheiten
Rechnung zu tragen.
Mit freundlichen Grüßen
für die Arbeitsgemeinschaften und Bürgerinitiativen aus
Bensheim Brombachtal
Lindenfels/Lautertal
Mossautal Reichelsheim
Vielbrunn
|