OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR
DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am 9. August
2006.
8 A 3726/05
2 K 2264/01 Münster
In
dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Immissionsschutzrechts
(Anfechtung
einer Genehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage)
Prozessbevollmächtigter des Klägers: Rechtsanwalt Thomas
Mock, Clemens-August-Straße 6, 53639 Königswinter,
gegen
den Landrat des Kreises ..................
Beigeladener: Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte .............
Beteiligter: Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Innenministerium, Haroldstraße 5, 40213 Düsseldorf, Az.:
Referat 56/18-4 8 A 3726/05,
hat der 8. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. S e i b e r t,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Lechtermann,
den Richter am Verwaltungsgericht Hoffmann, den ehrenamtlichen Richter
H a n n i g, kaufmännischer Angestellter,
die ehrenamtliche Richterin Hergerfeld-Reckert,
Geschäftsführerin
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers
wird das auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2005
ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster geändert.
Die dem Beigeladenen durch Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2001
erteilte "Baugenehmigung" in der Fassung des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung Münster vom 7. September 2001, der
Nachtragsgenehmigung vom 2. Oktober 2002 und der
Teiiverzichtserklärung des Beigeladenen vom 2. November 2004 wird
aufgehoben.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des erst- und
zweitinstanzlichen Verfahrens je zur Hälfte, mit Ausnahme ihrer
eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selber tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage.
Der Kläger ist Eigentümer des im Außenbereich gelegenen
Grundstücks Drögenkamp 15 in Raesfeld (Gemarkung Raesfeld,
Flur 29, Flurstück 30), das neben ausschließlich
landwirtschaftlich genutzten Gebäuden auch mit einem Wohn- und
Wirtschaftsgebäude und einem Altenteilerhaus bebaut ist.
Unter dem 28. Februar 2000 beantragte der Beigeladene bei dem Beklagten
die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer
Windkraftanlage vom Typ Enercon E-58/10.58 mit einer Nennleistung von
1.000 kW, einer Nabenhöhe von 70,5 m und einem Rotordurchmesser
von 58 m auf dem Grundstück Gemarkung Raesfeld, Flur 29,
Flurstück 58. Der Standort der geplanten - und noch nicht
errichteten - Windkraftanlage liegt 209,3 m südöstlich von
dem Wohnhaus des Klägers entfernt und befindet sich in einem
Bereich, der durch Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen im
Kreis Borken vom 5. Juli 1972 als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen
ist. Zudem war dieser Bereich zum Zeitpunkt der Antragstellung im
Gebietsentwicklungsplan - Teilabschnitt Münsterland - als
Windeignungsbereich BOR 30 dargestellt.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2001 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen
die beantragte Baugenehmigung sowie eine Ausnahmegenehmigung nach dem
Landschaftsgesetz NRW zur Errichtung der vorbezeichneten
Windkraftanlage. In Nr. 16 der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung
wurde festgelegt, dass die von der Windkraftanlage verursachten
Geräuschemissionen an dem Wohnhaus des Klägers die
Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts
nicht überschreiten dürfen. Mit Nr. 17 der Nebenbestimmungen
wurde dem Beigeladenen aufgegeben, dass die Anlage zur Nachtzeit von
22.00 Uhr bis 6.00 Uhr nur schalloptimiert mit einer elektrischen
Leistung von maximal 850 kW betrieben werden dürfe. Femer wurde in
den Nebenbestimmungen Nr. 22 bis 25 festgelegt, dass die
Windkraftanlage mit einer Schattenabschaltung auszurüsten sei, um
sicherzustellen, dass der Schattenwurf an dem Wohnhaus des Klägers
maximal 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag beträgt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 9.
März 2001 Widerspruch ein und beantragte zugleich, die
aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen. Zur
Begründung führte er aus: Es sei davon auszugehen, dass die
Windkraftanlage in erheblichem Umfange Infraschall emittiere und auch
eine Ton- und Impulshaltigkeit aufweise. Ferner seien die Regelungen
hinsichtlich des Schattenwurfs rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2001 lehnte der Beklagte die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab und begründete dies wie
folgt: Die nachgewiesenen Infraschallanteile einer Windkraftanlage
lägen deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen.
Für die in Rede stehende Windkraftanlage sei auch kein
Impulszuschlag zu vergeben. Die Messungen hätten keine
impulshaltige Geräuschauffälligkeit gezeigt. Durch die
Regelungen zu dem von der Anlage ausgehenden Schattenschlag würden
unzumutbare Beeinträchtigungen des Klägers hinreichend
ausgeschlossen.
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch des Klägers
durch Widerspruchsbescheid vom 7. September 2001 zurück. Zur
Begründung führte sie aus: Durch die Nebenbestimmungen zur
Baugenehmigung sei sichergestellt, dass am Wohnhaus des Klägers
zur Nachtzeit der Immissionsrichtwert von 45 dB(A) ein gehalten werde
und dass von der Anlage keine unzumutbaren Beeinträchtigungen
durch Schattenwurf und von Lichtreflexionen ausgingen. Durch das
Bauvorhaben seien auch die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften
eingehalten.
Am 9. Oktober 2001 hat der Kläger Klage erhoben.
Während des anhängigen Rechtsstreits teilte das Staatliche
Umweltamt Herten in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 2002 dem
Beklagten unter Berufung auf eine beim Landesumweltamt
Nordrhein-Westfalen durchgeführte Berechnung mit, dass es an einem
Fenster im Erdgeschoss des Wohnhauses des Klägers durch die
Überlagerung von Direktschall und reflektierendem Schall zu einer
Erhöhung des Schalldruckpegels von bis zu 3 dB(A) kommen
könne. Insgesamt werde für die Nachtstunden eine
Leistungsbegrenzung auf 650 kW bis 450 kW für erforderlich
gehalten.
Am 8. Juli 2002 beantragte der Kläger bei dem Verwaltungsgericht
die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, da der Beigeladene
mit den Bauarbeiten der Windkraftanlage begonnen hatte. Das
Verwaltungsgericht ordnete mit Beschluss vom 2. August 2002 - 2 L
992/02 - die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die dem Beigeladenen
erteilte Baugenehmigung an.
Der Beklagte und der Beigeladene legten gegen diesen Beschluss des
Verwaltungsgerichts Beschwerde ein.
Während des Beschwerdeverfahrens erteilte der Beklagte dem
Beigeladenen auf dessen Antrag hin und nach Vorlage einer weiteren
Immissionsprognose mit Bescheid vom 2. Oktober 2002 eine
Nachtragsbaugenehmigung, mit der die Auflagen Nr. 17, 19, 20 und 22 bis
25 der Baugenehmigung vom 23. Januar 2001 aufgehoben und durch neue
Auflagen ersetzt wurden. In der Nachtragsbaugenehmigung wurde in Nr. 17
der Nebenbestimmungen geregelt, dass die Windkraftanlage zur Nachtzeit
nur noch mit einem Schallleistungspegel von 97,8 dB(A), entsprechend
einer elektrischen Leistung von maximal 520 kW betrieben werden darf,
solange nicht durch eine Immissionsmessung die Einhaltung des für
die Nacht vorgegebenen Immissionsrichtwertes am Wohnhauses des
Klägers nachgewiesen ist. In Nr. 22 der Nebenbestimmungen wurde
festgelegt, dass an dem Wohnhausdes Klägers kein von der Anlage
ausgehender Schattenwurf entstehen darf. Zu diesem Zweck ist dem
Beigeladenen aufgegeben worden, die Anlage mit einer technischen
Schattenabschaltung auszurüsten.
Mit Beschluss vom 2. April 2003 -10 B 1572/02 - wies das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die
Beschwerden des Beklagten und des Beigeladenen zurück. Zur
Begründung führte der 10. Senat unter anderem aus, dass die
Nebenbestimmung Nr. 17 in der ursprünglichen Fassung vom 23.
Januar 2001 keineswegs sicherstelle, dass in den Nachtstunden an dem
Wohnhaus des Klägers der Immissionsrichtwert von 45 dB(A)
eingehalten werde. Außerdem handele es sich angesichts der
Entfernung zum Grundstück des Klägers um einen absoluten
Nahbereich. Zwar könne nicht hinreichend sicher beurteilt werden,
ob das Vorhaben wegen einer optisch bedrängenden Wirkung
rücksichtslos sei, jedenfalls sei aber angesichts des geringen
Abstandes zum Wohnhaus des Klägers von erheblichen optischen
Beeinträchtigungen auszugehen.
Mit Schreiben vom 2. November 2004 teilte der Beigeladene dem Beklagten
mit, dass er in schallimmissionsrechtlicher Hinsicht auf die -
weitergehenden - Rechte aus der Baugenehmigung insoweit verzichte, als
der Nachtbetrieb von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr über einen
Schallleistungspegel von 92,9 dB(A) hinaus, entsprechend einer
elektrischen Leistung von maximal 420 kW, zulässig wäre.
Ferner legte der Beigeladene einen Messbericht und eine dritte
Immissionsprognose vor. In der Immissionsprognose wurden für den
Nachtbetrieb der Anlage bei einem Schallleistungspegel von 92,9 dB(A)
an zwei Immissionspunkten auf dem Grundstück des Klägers
Immissionswerte von 42,6 dB(A) - IP 4/1 - und 42,4 dB(A) - IP 4/2 - (=
Fenster an der östlichen Gebäudeseite im Erdgeschoss)
prognostiziert.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Staatlichen Umweltamtes Herten
vom 8. November 2004 teilte der Beklagte dem Beigeladenen mit Schreiben
vom 9. Dezember 2004 mit, dass er die Verzichtserklärung zur
Kenntnis genommen und der Baugenehmigung vom 23. Januar 2001
beigefügt habe.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger im Wesentlichen
vorgetragen: Die Windkraftanlage habe zu seinem Wohnhaus nur eine sehr
geringe Entfernung und liege in einem Landschaftsschutzgebiet.
Besonders lästig sei auch der Schattenschlag und der Discoeffekt,
der von Windkraftanlagen insbesondere im Frühjahr und Herbst
ausgehe. Ferner dürften die Sichtimmissionen nicht
unterschätzt werden. Zudem gehe von Windkraftanlagen eine
erhebliche Unfallträchtigkeit aus. Trümmer könnten bis
zu 350 m weit herumfliegen. Auch gingen von Blitzeinschlägen in
Windkraftanlagen erhebliche Gefährdungen aus. Mit Blick auf den
Abstand der bereits errichteten Windkraftanlagen sei die
Standsicherheit der Anlage nicht gewährleistet. Darüber
hinaus seien von der geplanten Anlage unzumutbare Beeinträchtigung
durch Lärmimmissionen zu erwarten.
Der Kläger hat beantragt,
die dem Beigeladenen erteilte
Genehmigung vom 23. Januar 2001 (in der Fassung des Bescheides vom 2.
Oktober 2002 sowie der Verzichtserklärung vom 2. November 2004)
und den Widerspruchsbescheid der Bezirks reg i erung Münster vom
7. September 2001 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,die
Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Tatsache, dass sich das
Bauvorhaben in einem ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiet befinde, sei
für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant. Es sei nichts
dafür erkennbar, dass der Kläger hierdurch in subjektiven
Rechten verletzt sei. Ein von der Windkraftanlage ausgehender
Schattenwurf am Wohnhaus des Klägers sei ausgeschlossen. Zu diesem
Zweck sei dem Beigeladenen in der Nachtragsbaugenehmigung vom 2.
Oktober 2002 aufgegeben worden, die Anlage mit einer
Schattenabschaltung auszurüsten. Eine optisch bedrängende
Wirkung durch die Rotorblätter sei nicht erkennbar. Es sei auch
fraglich, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt im Rahmen des Gebots
der Rücksichtnahme Berücksichtigung finden könne.
Psychische Einflüsse durch die Rotorbewegung ließen sich nur
unzureichend objektivieren. Selbst wenn man eine solche Anlage als
störend empfinden würde, sei dies im Außenbereich
hinzunehmen, zumal es sich um ein privilegiertes Bauvorhaben handele.
Jedenfalls habe das Bauvorhaben keine erdrückende Wirkung, zumal
die Anlage das Vierfache der bauordnungsrechtlich geregelten
Abstandsvorschriften zu dem Wohnhaus des Klägers einhalte.
Außerdem sei nur das von dem Kläger bewohnte Wohn- und
Wirtschaftsgebäude in den Blick zu nehmen, da das Altenteilerhaus
von der Familie der Tochter des Klägers bewohnt sei. Die
Wohnzimmerfenster seien vergleichsweise klein. Auch könne durch
eine Umgestaltung der Möbel und der Sitzgelegenheiten erreicht
werden, dass die Rotorbewegung nicht mehr von allen Sitzplätzen
aus gesehen werden könne. Zudem seien die Rotorblätter der
Windkraftanlage nur bei Nord- und Südwinden in vollem Umfange zu
sehen. Bei West und Ostwinden seien die Rotorblätter nur als
schmaler senkrechter Streifen wahrnehmbar. Mit den vom Kläger
beschriebenen Unfällen sei grundsätzlich nicht zu rechnen.
Hierbei handele es sich allenfalls um Einzelfälle. Ferner gingen
von der hier in Rede stehenden Windkraftanlage auch keine unzumutbaren
Lärmimmissionen aus, da die Anlage während der Nacht nur
schallreduziert betrieben werden dürfe.
Der Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt: Für das Bauvorhaben seien bereits
erhebliche finanzielle Vorleistungen erbracht worden. Die in der
Baugenehmigung vorgegebenen Immissionsrichtwerte würden
ausweislich der Immissionsprognosen am Wohnhaus des Klägers
eingehalten. Eine erdrückende Wirkung ginge von der geplanten
Anlage nicht aus. Im Übrigen befinde sich entlang der Straße
Drögenkamp eine bis zu 10 m hohe Wallhecke.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem auf die mündliche
Verhandlung vom 25. August 2005 ergangenen Urteil abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger
sei durch die Baugenehmigung in der der zeitaktuellen Fassung nicht in
subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Das Bauvorhaben halte die
Abstandsflächen ein. Es handele sich um einen Normalfall, der
keine Besonderheiten aufweise. Der Standort des Bauvorhabens befinde
sich in einem Winkel von etwa 20 bis 30 Grad zum Wohnhaus des
Klägers. Die anderen Anlagen seien deutlich weiter entfernt, so
dass der Kläger nicht das Gefühl habe, auf eine "Mauer" zu
schauen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Februar 2006 auf den Antrag des
Klägers die Berufung zugelassen.
Der Kläger begründet seine Berufung unter Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vertrages im Wesentlichen damit, dass im Nachtbetrieb
der Anlage der Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nicht eingehalten
werden könne. Ferner stelle der geringe Abstand der geplanten
Anlage zu seinem Wohnhaus einen Verstoß gegen das Gebot der
Rücksichtnahme dar. Die visuelle Unruhe durch die sich mehr oder
weniger drehenden Rotoren führe zu psychischen und physischen
Belastungen. Eine Gewöhnung an solche Zustände sei
ausgeschlossen. Die Aussicht seiner Wohnräume sei ungehindert auf
den Standort der geplanten Anlage gerichtet. Die Wallhecke entlang des
Entwässerungskanals werde alle drei Jahre vollständig
zurückgeschnitten. Er habe auch nicht damit rechnen müssen,
dass im Landschaftsschutzgebiet eine Windkraftanlage errichtet werde.
Zudem sei er in unzumutbarerweise einer erhöhten Unfallgefahr
durch die geplante Windkraftanlage ausgesetzt. Die genehmigte
Windkraftanlage stelle einen erheblichen eigentumsgleichen Eingriff
für ihn dar.
Der Kläger beantragt,
das auf die mündliche
Verhandlung vom 25. August 2005 ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts Münster zu ändern und die dem
Beigeladenen durch Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2001 erteilte
"Baugenehmigung" in der Fassung des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung Münster vom 7. September 2001, der
Nachtragsgenehmigung vom 2. Oktober 2002 und der
Teilverzichtserklärung des Beigeladenen vom 2. November 2004
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die
Berufung zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor: Es sei nicht zu befürchten,
dass von der streitbefangenen Windkraftanlage eine optisch
bedrängende Wirkung ausgehe. Zwar hätten die
landesrechtlichen Abstandsvorschriften keine normative Auswirkung auf
die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, jedoch komme
ihnen eine bedeutende indizielle Wirkung zu. Es bedürfe daher
schon besonders gewichtiger Umstände, um ein mit § 6 BauO NRW
konformes Vorhaben als rücksichtslos anzusehen. Solche
Umstände lägen hier nicht vor. Die streitgegenständliche
Anlage halte die bauordnungsrechtliche Abstandsfläche um ein
Mehrfaches ein. Auch aus der Drehbewegung des Rotors lasse sich nicht
herleiten, dass die Anlage rücksichtslos wäre. Selbst
Bewegungen, die im Gegensatz zur Rotordrehung weder im Erscheinungsbild
noch in der Frequenz gleichmäßig seien, wie beispielsweise
der Verkehr auf einer Bahntrasse oder Autobahnbrücke, würden,
sofern sie nicht mit Lärm einhergingen, vom Menschen bestenfalls
beiläufig wahrgenommen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn sie die
Lichteffekte in der unmittelbaren Umgebung merklich veränderten.
Ein solcher Effekt habe jedoch bei der Inaugenscheinnahme der
Vergleichsanlagen nicht im Ansatz festgestellt werden können. Je
höher sich ein Objekt befinde, desto geringer sei dessen
Auffälligkeit. Zudem würde der Eindruck dadurch abgemildert,
dass die Rotorblätter vom Wohnhaus des Klägers
überwiegend nur lateral zu sehen seien, da die Hauptwindrichtung
um Südwest und damit ziemlich genau lotrecht zur Rotorachse liege.
Überdies sei es keineswegs so, dass man die Anlage aus den
Wohnungen ständig im Blickfeld hätte. Auch in den nach
Südosten ausgerichteten Räumen gäbe es zahlreiche
Positionen, von denen aus das geplante Vorhaben nicht oder nur
teilweise zu sehen sei. Hinsichtlich der Terrasse bestünden
zahlreiche, dem Kläger auch zumutbare Alternativstandorte. Dem
stehe nicht entgegen, dass sich auf der von der Anlage abgewandten
Seite des Wohnhauses ein Wirtschaftsgebäude und ein Misthaufen
befinde. Mit geringem Aufwand könne ein Sichtschutz angebracht
oder der Misthaufen verlegt werden. Ferner dürfe nicht
unberücksichtigt bleiben, dass die Wohnnutzung im
Außenbereich nur deshalb zulässig sei, weil sie in einem
engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit dem
landwirtschaftlichen Betrieb stehe. Der Kläger müsse insoweit
auch einen anderen, auf der jetzigen Terrassenseite liegenden
landwirtschaftlichen Betrieb hinnehmen.
Der Beigeladene beantragt,die
Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus: Die genehmigte Windkraftanlage stelle keinen
Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot dar. Insbesondere sei
eine von der Anlage ausgehende optisch bedrängende Wirkung nicht
zu erwarten. Bei der Drehbewegung des Rotors handele es sich nicht um
stoffliche Einwirkungen im Sinne von Immissionen, sondern um
irrelevante psychische Belastungen. Eine erdrückende Wirkung
könne nur bei extremen Fallgestaltungen angenommen werden. Dem
Kläger sei es ohne Weiteres möglich, dem Anblick der
Windkraftanlage auf seinem verhältnismäßig großen
Grundstück auszuweichen. Insbesondere habe er die zum Zwecke der
Ruhe und Erholung genutzten Teile seines Gartens so auszurichten, dass
diese im Sichtschatten seines Hauses und der Wallhecke liegen, so dass
die Windkraftanlage überhaupt nicht zu sehen sei. Der Kläger
habe seinen Gartenteil nach Westen, also zur Hofstelle hin verlegt. Das
Altenteilerhaus verfüge im nördlichen Bereich über eine
sehr großzügig angelegte Rasenfläche mit
anschließendem Bolzplatz. Auffällig sei, dass die Wallhecke
gerade auf der Breite des klägerischen Grundstücks
Lücken aufweise und aus niedrigeren Fliederbüschen bestehe.
Dies nähre den Verdacht, dass der Kläger selbst diese
Maßnahmen vorgenommen habe. Gegen ein regelmäßiges auf
den "Stock setzen" der Wallhecke spreche, dass wahrscheinlich von
Kindern direkt am Grundstück des Klägers ein Hochsitz in der
Hecke errichtet worden sei. Die Unfallhäufigkeit bei
Windkraftanlagen sei im Vergleich zu anderen gewerblichen Anlagen
ausgesprochen gering. Die Rotorblätter würden aus extrem
leichtem Material gefertigt, so dass ein Schaden hierdurch
überhaupt nicht angerichtet werden könne. Zudem würde
die Anlagensteuerung im Falle eines Unfalls die Anlage sofort
abschalten.
Der Berichterstatter des Senats hat am 20. Juni 2006 eine
Ortsbesichtigung vorgenommen. Wegen des Ergebnisses des Ortstermins
wird auf den Inhalt der Niederschrift vom gleichen Tag (Bl. 389 bis 392
der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des
Klägers hat Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers
nicht im nachhinein dadurch entfallen, dass der hier genehmigte
WindkraftanIagentyp Enercon E-58 seit Mitte des Jahres 2005 nicht mehr
produziert wird. Das für die Klage erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis wäre nur dann nicht gegeben, wenn die
streitbefangene Anlage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr
errichtet werden könnte und die angefochtene Baugenehmigung ins
Leere ginge. Der Beigeladene hat jedoch vorgetragen, dass es ihm
aufgrund vertraglicher Verpflichtungen mit dem Hersteller weiterhin
möglich sei, den genehmigten Anlagentyp zu errichten. Darüber
hinaus besteht die Möglichkeit, gebrauchte Windkraftanlagen - und
damit grundsätzlich auch den hier in Rede stehenden Anlagentyp -
auf sog. "Repowering-Märkten", vgl. z.B. im Internet unter:
http://www.dansk-vindenergi.dk/default.asp?show=page&id=2307;http://www.windmesse.de/b2b/welcome.html
http://www.dr-wyputta.de/ee/repowering.html
zu erwerben.
2. Die Klage ist zu Recht weiterhin gegen den Beklagten als
Baugenehmigungsbehörde gerichtet. Dem steht nicht entgegen, dass
nach der am 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Neuregelung in § 67
Abs. 9 Satz 1 BImSchG
- Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie
96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren
Unfällen mit gefährlichen Stoffen vom 25. Juni2005 (BGBI. l
S. 1865) -
Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe
von mehr als 50 Metern, die - wie hier - "bis zum 1. Juli 2005"
(gemeint ist offensichtlich: vor dem 1. Juli 2005) erteilt worden sind,
als Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gelten. Unter
Berücksichtigung der Parallelität der für Anfechtungs-
und Verpflichtungssituationen maßgeblichen Regelungen in §
67 Abs. 9 Satz 1 und Satz 3 BImSchG bleibt die Behörde, die die
von einem Dritten angefochtene Baugenehmigung erlassen hat, ebenso wie
die Baugenehmigungsbehörde, die für die Erteilung einer
Baugenehmigung in einem aufgrund der Übergangsregelung nach altem
Recht fortzusetzenden Verfahren zuständig ist, alleinige Herrin
des Verfahrens. Das gilt bis zum unanfechtbaren Abschluss des
Verfahrens.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom
14. September 2005 - 8 B 96/05 -, NWVBI. 2006, 97, vom 20. Oktober 2005
- 8 B 158/05 -, vom 15. November 2005 - 8 B 981/05 -, vom 10. April
2006 - 8 B 125/06 - und vom 29. Juni 2006 - 8 B 413/06-.
II. Die Klage ist auch begründet.
Die hier angefochtene "Baugenehmigung" zur Errichtung einer
Windkraftanlage - die als immissionsschutzrechtliche Genehmigung
fortgilt - verstößt zu Lasten des Klägers gegen
nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften des
Bauplanungsrechts und verletzt ihn deshalb in seinen Rechten (§113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die durch Bescheid des
Beklagten vom 23. Januar 2001 erteilte "Baugenehmigung" in der Fassung
des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 7.
September 2001, der Nachtragsbaugenehmigung vom 2. Oktober 2002 und der
Teilverzichtserklärung des Beigeladenen vom 2. November 2004. Auf
der Grundlage des Teilverzichts des Beigeladenen ist der Betrieb der
Anlage zur Nacht von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr nur noch mit einem
Schallleistungspegel von 92,9 dB(A) - entsprechend einer elektrischen
Leistung von maximal 420 kW - genehmigt. Soweit die Baugenehmigung in
ihrer ursprünglichen Fassung hinsichtlich des Nachtbetriebs der
Anlage für den Beigeladenen weitergehende Rechte begründet
hatte, ist sie auf Grund des Teilverzichts auch ohne ausdrückliche
Aufhebungsverfügung erloschen.
Vgl. BVerwG,
Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36/86 -, NVwZ 1990, 464; VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 1993 - 3 S 1120/92 -,
juris, Beschluss vom 9. März 1998 -5 S 3203/97 -, juris.
2. Dem Kläger steht ein nachbarliches Abwehrrecht gegen das
Bauvorhaben des Beigeladenen zu, weil von diesem Vorhaben eine optisch
bedrängende Wirkung ausgehen würde, die im Hinblick auf die
Wohnnutzung des Klägers einen Verstoß gegen das allgemeine,
im Bauplanungsrecht verankerte Rücksichtnahmegebot darstellt.
a) Unerheblich ist, ob das Bauvorhaben die bauordnungsrechtlichen
Abstandsvorschriften einhält. Das bauordnungsrechtliche
Abstandsflächenrecht regelt nicht abschließend, ob von einer
baulichen Anlage wie einer Windkraftanlage, insbesondere wegen der
Drehbewegung des Rotors, eine optisch bedrängende Wirkung auf die
Bebauung in der unmittelbaren Umgebung ausgeht. Ein Bauvorhaben kann
sich gegenüber benachbarter Wohnbebauung auch dann als
planungsrechtlich rücksichtslos erweisen, wenn - wie hier - die
landesbaurechtlich geregelten Abstandsvorschriften (vgl. § 6 Abs.
10 BauO NRW) zu den benachbarten Grundstücken eingehaiten sind.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai
1986 - 4 C 34.85 -, BRS 46 Nr. 176; OVG NRW, Beschluss vom 3. September
1999 -10 B 1283/99 -; OVG Nds., Beschluss vom 4. April 2005 - 1 LA
76/04 - NVwZ-RR 2005, 521.
b) Das Rücksichtnahmegebot ist als öffentlicher Belang im
Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu beachten; ihm kommt
drittschützende Wirkung zu.
Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens richtet sich,
da die Windkraftanlage ebenso wie das Wohnhaus des Klägers im
Außenbereich liegt, nach § 35 BauGB. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
vgl. BVerwG, Urteile vom 6.
Dezember 1967 - 4 C 94.66 -, BRS 18 Nr. 57, vom 21. Oktober 1968 - 4 C
13.68 -, BRS 20 Nr. 158, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr.
168, und Beschluss vom 28. Juli 1999 - 4 B 38.99 -, BRS 62 Nr. 189,
ist § 35 BauGB keine generell nachbarschützende Vorschrift,
sondern vermittelt lediglich im Einzelfall Nachbarschutz dadurch, dass
ein Vorhaben im Außenbereich nicht gegen das Gebot der
Rücksichtnahme verstoßen darf. Das Gebot, auf
schutzwürdige Individualinteressen Rücksicht zu nehmen, wird
zwar in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht ausdrücklich
aufgeführt; seine Qualität als öffentlicher Belang ist
aber in der Rechtsprechung anerkannt. Es hat seinen Niederschlag
beispielhaft im Katalog des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB gefunden, wo
das Erfordernis in Nr. 3, schädliche Umwelteinwirkungen zu
vermeiden, eine besondere, auf Immissionskonflikte beschränkte
gesetzliche Ausformung dieses Gebots dar stellt.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.
Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52,
122, vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, Buchholz 406.11 § 35 BBauG
Nr. 196, und vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -,a.a.O.
Das Gebot der Rücksichtnahme erfasst über die
Immissionsbelastungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB
hinaus,
a.A. offenbar OVG Rh.-Pf., Urteil
vom 12. Juni 2003 -1 A 11127/02 -,
NUR 2003, 768,
auch solche Fälle, in denen sonstige nachteilige Wirkungen des
Bauvorhabens in Rede stehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.
Januar 1983-4C 59.79 -, a.a.O.; OVG
Rh.-Pf., Urteil vom 26. Nov ember 2003 - 8 A 10814/03-, UPR2004, 198.
Deshalb kann grundsätzlich auch die optische Wirkung, die ein
Bauvorhaben - wie hier eine Windkraftanlage - auf bewohnte
Nachbargrundstücke im Außenbereich ausübt, im
Einzelfall mit dem Gebot der Rücksichtnahme nicht zu vereinbaren
sein.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29.
August 1997 - 7 A 629/95-, NWVBI. 1998,
115, vom 18. November 2002 - 7 A 2127/00 -, BauR 2003, 517,
Beschlüsse vom 22. Oktober 1996 -10 B 2385/96 -, GewArch 1997,126,
vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, NVwZ 1999, 1360, vom 2. April
2003 -10 B 1572/02 -, BauR 2004, 475, vom 2. April 2004 - 7 B 335/04 -,
juris, und vom 12. Januar 2006 - 8 A 2381/03 -.
c) Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme
begründet, hängt nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts wesentlich von den jeweiligen Umständen
ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen
ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute
kommt, um so mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je
verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten
Interessen sind, um so weniger
braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht
zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte
Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen
dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und
andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge
zuzumuten ist.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.
Februar 1977 - 4 C 22.75 - a.a.O., vom 13.
März 1981 - 4 C 1.78 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 =
DÖV 1981, 672, und vom 28.0ktober1993 - 4C5.93 -, a.a.O.
Eine gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßende optisch
bedrängende Wirkung ist in der Rechtsprechung angenommen worden,
wenn dem hinzutretenden Bauwerk wegen seiner Höhe und Breite
gegenüber dem Nachbargrundstück eine "erdrückende" bzw.
"erschlagende" Wirkung zukommt.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 13.
März 1981 - 4 C 1.78 -, a.a.O., und
vom 23. Mai 1986 - 4 C 34.85 -, a.a.O.
Dies ist insbesondere der Fall, wenn die baulichen Dimensionen des
"erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des
Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das
"erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch
überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude
dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik
wahrgenommen wird,
vgl. OVG NRW, Urteil vom
29. August 2005 - 10 A 3138/02-, juris,
oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt,
d.h. dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder eine
Gefängnishofsituation hervorruft.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.
Januar 1999 - 4 B 128.98 -, NVwZ 1999, 879;
OVG Nds., Urteile vom 29. September 1988 -1 A 75/87 -, BRS 48 Nr. 164,
vom 2. Juli 1999 -1 K 4234/97 -, BRS 62 Nr. 25.
Für die Frage, ob eine Windkraftanlage im Einzelfall unzumutbar
bedrängend wirkt, sind allerdings weitere und andere Kriterien
maßgebend. Die Baukörperwirkung einer Windkraftanlage
unterscheidet sich von derjenigen klassischer Bauwerke, wie etwa
Gebäuden, die durch ihre Baukörpermasse eine erdrükende
Wirkung auf die Umgebung ausüben können. Eine Windkraftanlage
vermittelt in der Regel nicht, wie ein Gebäude mit großer
Höhe und Breite, das Gefühl des Eingemauertseins. Der
Baukörper einer Windkraftanlage wirkt weniger durch die Baumasse
des Turms der Anlage als vielmehr durch die Höhe der Anlage
insgesamt und die Rotorbewegung. Der in der Höhe wahrzunehmenden
Drehbewegung des Rotors kommt dabei eine entscheidende Bedeutung
zu.
Zum einen lenkt der Rotor durch die Bewegung den Blick auf sich und
schafft eine Art "Unruheelement". Ein bewegtes Objekt erregt die
Aufmerksamkeit in höherem Maße als ein statisches; eine
Bewegung wird selbst dann noch registriert, wenn sie sich nicht direkt
in der Blickrichtung des Betroffenen, sondern seitwärts von dieser
befindet. Eine nur durch Phasen relativer Windstille unterbrochene
ständige, nach Windstärke in der Umdrehungsgeschwindigkeit
differierende Bewegung im Blickfeld oder am Rande des Blickfeldes kann
schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer unerträglich werden.
Ein sich bewegendes Objekt zieht den Blick nahezu zwangsläufig auf
sich. Es kann Irritationen hervorrufen und die Konzentration auf andere
Tätigkeiten wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung
erschweren.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.
August 1997 - 7 A 629/95 - .a.a.O., m.w.N.
Zum anderen vergrößert die Drehbewegung des Rotors die
Windkraftanlage in ihren optischen Dimensionen deutlich und bestimmt
sie. Die Fläche, die der Rotor bestreicht, hat in der Regel
gebäudegleiche Abmessungen. Die
optischen Auswirkungen einer Windkraftanlage sind um so
größer, je höher die Anlage ist und je höher
deshalb der Rotor angebracht ist.
Die Einzelfallabwägung, ob eine solche Anlage bedrängend auf
die Umgebung wirkt, hat sich daher in einem ersten Schritt an der
Höhe der Anlage zu orientieren. Eine starre - nach Metern
bemessene - Abstandsregelung kann dem allerdings nicht hinreichend
Rechnung tragen, da die Gesamthöhe moderner Windkraftanlagen sehr
unterschiedlich ist. Von sehr hohen Anlagen geht naturgemäß
eine andere optische Einwirkung aus als von Anlagen, die eine deutlich
geringere Höhe aufweisen. Eine starre Abstandsregelung würde
überdies der nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB gebotenen
Berücksichtigung aller Einzelfallumstände nicht gerecht.
Bei der Einzelfallbewertung ist deshalb ferner auf den Rotordurchmesser
abzustellen. Je größer der Rotordurchmesser und damit auch
die durch die Drehbewegung der Rotorblätter abgedeckte Fläche
ist, desto größer ist auch die von der Anlage ausgehende
optische Einwirkung.
Darüber hinaus sind die örtlichen Verhältnisse in die
Einzelfallbewertung einzustellen. So ist u.a. die Lage bestimmter
Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen u.a. zur
Windkraftanlage von Bedeutung.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom
3. September 1999 -10 B 1283/99 -,
a.a.O., vom 13. Mai 2002 - 10 B 671/02 -, NVwZ 2002, 1131, vom 9. Juli
2002 - 10 B 669/02 -, juris, vom 6. August 2002 - 10 B 939/02 -, NWVBI.
2003, 214, und vom 2. April 2004 - 7 B 335/04 -, juris.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu berücksichtigen,
ob von dem Wohngrundstück aus eine hinreichende Abschirmung zur
Anlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann.
Relevant ist im Weiteren der Blickwinkel auf die Anlage, da es für
die Erheblichkeit der optischen Beeinträchtigung einen Unterschied
macht, ob die Anlage in der Hauptblickrichtung eines Wohnhauses liegt
oder sich seitwärts von dieser befindet.
Auch die Hauptwindrichtung kann von Bedeutung sein. Denn von der mit
der Windrichtung wechselnden Stellung des Rotors hängt es ab, wie
häufig in welcher Größe die vom Rotor bestrichene
Fläche von einem Wohnhaus aus wahrgenommen wird.
Von Belang kann im Weiteren die topographische Situation sein. So kann
etwa von einer auf einem Hügel gelegenen Windkraftanlage eine
andere Wirkung als von einer auf tiefer liegendem Gelände
errichteten Anlage ausgehen. Auch können Waldgebiete oder
Gebäude einen zumindest partiellen Sichtschutz bieten.
Einfluss auf das Maß der optischen Beeinträchtigung
können auch schon vorhandene Windkraftanlagen haben. Denn einer
Einzelaniage kann in diesem Zusammenhang je nach der Situation im
Einzelfall ein stärkeres Gewicht zukommen als einer Anlage, die
sich in eine schon vorhandene (optische) Vorbelastung einfügt und
deshalb keine besondere zusätzliche Belastung für die
Wohnnutzung darstellt. Je nach Fallkonstellation kann aber auch erst
die hinzutretende Anlage in der Zusammenschaumit den bereits
vorhandenen Anlagen zu einer unzumutbaren optisch bedrängenden
Wirkung führen.
Auch die planungsrechtliche Lage des Wohnhauses ist zu
berücksichtigen. Wer im Außenbereich wohnt, muss
grundsätzlich mit der Errichtung von in diesem Bereich
privilegierten Windkraftanlagen - auch mehrerer - und ihren optischen
Auswirkungen rechnen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom
6. August 2002 - 10 B 939/02 -,
a.a.O., und vom 23. Juli 2004 - 21 B 753/03 -.
Der Schutzanspruch entfällt zwar nicht im Außenbereich,
jedoch vermindert er sich dahin, dass dem Betroffenen eher
Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der
Windkraftanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom
3. September 1999 - 10 B 1283/99 -,
a.a.O., vom 9. Juli 2002 - 10 B 669/02 -, a.a.O. und vom 12. Januar
2006
- 8 A 2285/03 -, juris.
Unter Berücksichtigung insbesondere der vorstehenden Kriterien
lassen sich für die Ergebnisse der Einzeifallprüfungen grobe
Anhaltswerte prognostizieren:
Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer
Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe
(Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage,
dürfte
die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen,
dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten
der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die
Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den
Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und
keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung
zukommt.
Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der
Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu
einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage
gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel
optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die
Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den
damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich
in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in
unzumutbarerweise beeinträchtigt wird.
Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der
Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage,
bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven
Prüfung des Einzelfalls.
Diese Anhaltswerte dienen lediglich der ungefähren Orientierung
bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen, entbinden aber
nicht von einer Einzelfallwürdigung bei Abständen, die
unterhalb der zweifachen und oberhalb der dreifachen Anlagenhöhe
liegen.
d) Ausgehend von diesen Grundsätzen geht von dem geplanten
Bauvorhaben eine optisch bedrängende Wirkung im Hinblick auf die
Wohnnutzung des Klägers aus, die einen Verstoß gegen das
Gebot der Rücksichtnahme darstellt.
Im Rahmen der erforderlichen Einzelfallbewertung ist zunächst zu
berücksichtigen, dass die Anlage - im Verhältnis zu ihrer
Gesamthöhe - im engen Nahbereich zur Wohnnutzung des Klägers
liegt, weil die Entfernung zwischen Anlage und Wohnhaus des
Klägers nur knapp mehr als das Zweifache der Gesamthöhe der
Anlage beträgt.
Zwar muss der Kläger grundsätzlich mit der Errichtung anderer
privilegierter Vorhaben - wie auch einer Windkraftanlage - in seinem
Umfeld rechnen, da sich sein Wohnhaus im Außenbereich befindet.
Auch hat der Kläger zumindest nicht überwiegend den Blick auf
die volle Rotorfläche, weil die Hauptwindrichtung in diesem
Bereich nach der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vom 28. Januar
2004 Westsüdwest ist. Gleichwohl sind aufgrund der Nähe der
Anlage zu der Wohnnutzung und der Ausrichtung der Räumlichkeiten
und des Außenwohnbereichs unzumutbare optische
Beeinträchtigungen zu erwarten. Dabei ist nicht nur das Wohn- und
Wirtschaftsgebäude, sondern auch das - ebenfalls im Eigentum des
Klägers stehende - Altenteilerhaus zu berücksichtigen.
Aufgrund der örtlichen Situation kann der Kläger den
erheblichen Sichtbeziehungen zu der geplanten Anlage - deren Rotor
eine Fläche von immerhin ca. 2.640 qm bestreicht - weder durch
architektonische Selbsthilfe ausweichen noch bestehen hinreichende
Abschirmungsmöglichkeiten auf seinem Grundstück.
Sowohl das Wohn- und Wirtschaftsgebäude als auch das
Altenteilerhaus sind fast vollständig in Blickrichtung zur
geplanten Anlage ausgerichtet. Im Wohn- und
Wirtschaftsgebäude befinden sich im Erdgeschoss das Wohnzimmer und
das Schlafzimmer sowie im Obergeschoss die beiden Schlafzimmer mit
ihren Fenstern in Blickrichtung zu dem Standort der geplanten Anlage.
Im Altenteilerhaus befinden sich im Erdgeschoss das Esszimmer und die
Küche sowie im Obergeschoss die beiden Kinderzimmer mit ihren
Fenstern in Richtung zu dem Standort der geplanten Windkraftanlage. Auf
der Grundlage der in den Bauakten befindlichen Grundrisse des Wohn- und
Wirtschaftsgebäudes sowie des Altenteilerhauses sind zumutbare
architektonische Umgestaltungen, mit denen den Sichtbeziehungen zu der
geplanten Windkraftanlage ausgewichen werden kann, innerhalb des
jeweiligen Wohnbereichs nicht möglich.
Hinsichtlich des Außenbereichs kann dahinstehen, ob es dem
Kläger noch zuzumuten ist, die Terrasse des Altenteilerhauses auf
die der Windkraftanlage abgewandte nördliche Hausseite und den
gegebenenfalls störenden Misthaufen an einen anderen Standort auf
dem Betriebsgelände zu verlegen. Zureichende und zumutbare
Abschirmungsmöglichkeiten im Übrigen stehen dem Kläger
aber nicht zur Verfügung.
Die Wallhecke entlang der Straße Drögenkamp - die
ausweislich der Feststellungen im Ortstermin in der Breite des
Grundstücks des Klägers nur eine Höhe von zwei bis drei
Metern hat - vermag einen solchen Schutz nicht zu vermitteln. Auf die
Frage, ob die Wallhecke durch andere Anpflanzungen hinsichtlich der
Höhe aufgestockt werden kann, kommt es nicht an. Der Kläger
hat jedenfalls keinen Einfluss auf die Art und Höhe der
Anpflanzungen in diesem Bereich, da es sich hierbei um eine
gemeindeeigene Fläche handelt.
Auch im eigenen Vorgarten kann sich der Kläger mit
zumutbarem Aufwand keine wirksamen Abschirmungsmöglichkeiten
gegenüber der geplanten Anlage verschaffen. Insbesondere
würden neue Anpflanzungen, auch im Hinblick auf die
Räumlichkeiten im Obergeschoss und die insoweit erforderliche
Höhe, jedenfalls über einen Zeitraum von mehreren Jahren
keine hinreichende Abschirmung gegenüber der Anlage bieten. Die
Einpflanzung älteren (und entsprechend hohen) Baumbestandes
wäre mit einem unzumutbarem finanziellen Aufwand für
den Kläger verbunden. Zum anderen würden Anpflanzungen
in dieser
Höhe auch mit Blick auf die Abmessungen des Vorgartens und den
hierdurch bedingten geringen Abstand sowohl zum Wohn- und
Wirtschaftsgebäude als auch zum Altenteilerhaus zu einer nicht
zumutbaren "Mauerwirkung" sowie Abschattung und Verdunkelung der
Räumlichkeiten führen.
Die dargestellten erheblichen optischen Beeinträchtigungen sind
auch nicht in Anbetracht der schon vorhandenen weiteren
Windkraftanlagen für den Kläger hinzunehmen. Denn diese
Anlagen befinden sich in einer so großen Entfernung zum
Wohnhausdes Klägers, dass sie keinen Einfluss mehr auf die hier
vorzunehmende Einzelfallwürdigung der örtlichen Situation
haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. und 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132
Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Die Nichtzulassung der Revision kann durch
Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist beim Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen. Die Beschwerde
muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses
Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben
genannten Gericht einzureichen.
Statt in Schriftform können die Einlegung und die Begründung
der Beschwerde auch in elektronischer Form nach Maßgabe der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den
Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande
Nordrhein-Westfalen - ERWO VG/FG - vom 23. November 2005 (GV. NRW. S.
926) erfolgen.
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt
auch für die Einlegung der Beschwerde und für die
Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen
Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im
Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt
als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des
öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch
Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie
Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch
durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der
zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen
Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen.
Dr.
Seibert
Lechtermann
Hoffmann
Ferner ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter der
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- €
festgesetzt.
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